Full text: Die Geschichte Württembergs.

K. 48. Rückblick. Verhältnisse und Zustände in Staat und Gemeinde. 171 
morgen schon geschehen sein. Stieß er aber auf Widerwärtigkeiten und SHinder- 
nisse, so ließ er unter Umständen seinen Gedanken ebenso schnell wieder fallen, 
als er ihn ergriffen hatte. Sein einziges Lebensziel war Glänzen und Ge- 
nießen. Wie viele Opfer haben diese beiden, unersättlichen Götzen verschlungen. 
Wie hat das arme, gequälte Land geseufzt unter den Steuerlasten, die ihm auf- 
gelegt wurden! Wie viele Unterthanen haben dem Fürsten geflucht, der sie um's 
Brot, ihre Familien in's bitterste Elend brachte! Wie hat „die nimmersatte 
Hyäne der Wollust“ im Lande gewüthet! Alles um des Einzigen Willen, bis sich 
seine zweite Gemahlin zwischen ihn und die Unschuld stellte und damit die Opfe- 
rung aufhörte. Endlich, als das Schmerzens= und Wuthgeschrei des geplagten 
Landes nicht mehr überhört werden konnte, fand er andere Ziele seines Ehr- 
geizes; er suchte sein Volk auf eine hohe Stufe des Wohlstandes und der Bil- 
dung zu führen. Und wie gerne und bald hat ihm sein Volk alle seine Irrwege 
und Regentensünden verziehen! In kurzer Zeit war das Vertrauen zwischen dem 
Fürsten und dem Land wiederhergestellt und unsere Väter und Großväter haben 
von ihrem „Karl Herzog“ mit Liebe und dankbarer Verehrung gesprochen, als 
von einem Mann, dessen Streben, das Wohl des Landes zu schaffen, die schönsten 
Früchte trug. 
8. 48. 
Rüchblich. Verhältnisse und Zustände in Staat und Gemeinde. 
Im deutschen Reiche (s. FP. 41.) verfolgten Oberhaupt und Glieder ihre 
eigenen Interessen, unbekümmert um das Gemeinwohl. Im Reichstag stritt 
man sich auf die kleinlichste Weise um Rang, Titel und äußerliche Formalitäten, 
so daß er zum Gespötte aller wurde. Der Hubertsburger Friede (1763) wurde 
ohne Zustimmung des Reichs geschlossen. Das Reichskammergericht in 
Wetzlar verlor immer mehr an Ansehen, weil sich die mächtigeren Reichsglieder 1) 
ganz seiner Wirksamkeit entzogen, und weil es mit solcher Weitschwelfigkeit ver- 
fuhr, daß die Prozesse viele Jahre anhängig waren. Da die Richter wegen der 
nur dürftig eingehenden Staatsbeiträge auf die Sporteln angewiesen waren, so 
waren der Bestechung Thür und Tyor geöffnet. Die kaiserliche Gewalt war 
zu einem leeren Schatten, sein Einkommen auf wenige tausend Gulden herabge- 
sunken. „Damit der Katser nichts Böses thue, war ihm das Vermögen genom- 
men, überhaupt etwas zu thun " Etwa 350 erbliche oder gewählte Fürsten und 
Republiken mit der verschiedensten Macht und dem ungleichsten Länderbesitz, dazu 
die reichsunmittelbare Ritterschaft ?) in Franken, Schwaben und am Rhein, 
1) So hatte Friedrich II. von Preußen vom Kaiser das unbeschränkte Pri- 
vilegium „de non appellando“ erhalten, d. h. seine Länder waren völlig unabhängig 
vom Nihetammergericht. weßwegen er die Justiz nach den Vorschlägen Coccejis refor- 
miren lie 
2) Ueber die Reichsritterschaft wurde allenthalben laut geklagt, daß fie den 
Verkehr störe, die öffentliche Sicherheit beeinträchtige, daß durch sie jede strenge Hand- 
habung der Justiz und Polizei unmöglich werde. In den ritterschaftlichen Gebieten, 
hieß es, kann keine Kommerz= und Zollordnung aufkommen, dort findet man die treff 
lichen Schulen nicht, die überall ringsum bestehen. Wohl aber hausen dort die Vaga-— 
bunden, Zigeuner, Betteljuden und Afterärzte. — „Der Adel blieb im Hof-, Staats- 
und Kriegsdieust mächtig, aber nicht mehr den Fürsten gegenüber. Aus den freien
	        
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