182 III. Württemberg als Herzogthum.
Krähwinkler; der Nation aber gehörte er nicht. Bei alledem blieb Basedow der
gefeierte Pädagog seiner Zeit; er hatte die gebildeten Stände nach ihren An-
schauungen über Religion und Bildung für sich. Allerdings traten auch einzelne
Männer entschieden gegen ihn auf; so erklärte z. B. Herder, daß er dem Markt-
schreier nicht einmal Kälber, geschweige denn Menschen zur Erziehung anvertrauen
würde.
Von viel größerem und nachhaltigerem Einfluß war Pestalozzi (1746
— 1827), dessen durchgreifende Erneuerung der Pädagogik in der Praxis haupt-
sächlich auf die Volksschule wirkte, was von Roufseaus und Basedows Thä-
tigkelt nicht gesagt werden kann, wie der deutsche Schweizer in allen Stücken ein
ganz anderer Mann war als der französische. Dieser ist von verzwelfelndem Men-
schenhaß erfüllt, jener von edler Menschenliebe begeistert; dieser will durch Bauern-
krieg, jener durch Bauernerzlehung helfen. — Auf das württembergische
Schulwesen wirkte Pestalozzt mittelbar durch einen seiner bedeutendsten Schüler,
Denzel, Rektor des Eßlinger Seminars.
Als Vorläufer der pestalozzischen Richtung verdient der originelle Pfarrer
Flattich in Münchingen Erwähnung, „der in das Gewand eines Dorfpfarrers
verkleidete neutestamentliche Salomo“, wie ihn A. Knapp nennt. Er erzog gegen
200 Knaben und Jünglinge, meistens Thunichtgute; denn wenn Eltern mit ihrem
Sohne nichts mehr anzufangen wußten, brachten sie ihn Flattich, der mit päda-
gogischer Weishelt, aufopfernder Liebe und größter Sorgfalt die ihm Anvertrauten
unterrichtete und erzog.
In den württembergischen Schulanstalten betrug im Jahr 1789
die Zahl der Lehrer und Zöglinge 102,446. Es gab 998 deutsche Schulen mi
1320 Lehrern, 85 Lateinschulen mit 99 Lehrern, das Stuttgarter Gymnasium
hatte 15, die niederen Klosterschulen 8, die Universität mit dem Stift 21 Lehrer.
Auf 738 Pfarreien waren 660 Geistliche. Die erste Realschule errichtete Dekan
Klemm in Nürtingen. Christian Ferdinand Moser und Christian Friedrich
Wittich sorgten durch ihr „Taschenbuch für deutsche Schulmeister“" (1786 —
1789), das nachher unter dem Titel „Landschullehrer" fortgesetzt wurde, für
die Bildung tüchtiger Schullehrer. Die Universität in Tübingen verlor in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts immer mehr Zöglinge; so waren es außer
den Theologie Studirenden im Jahr 1784 138, 1786 127, 1788 107, 1790
87. Die Schuld daran trug die Karlsschule in Stuttgart, in deren Unterrichts-
gang dem Geiste der Aufklärung Rechnung getragen wurde (s. 8. 47).
Als das ganze geistige Leben neue Bahnen einschlug, nahm die Dicht-
kunst und der Kunstgeschmack einen solch großen Aufschwung, daß die poe-
tische Blldung jener Zeit jeder andern den Vorrang abgewann. Der Dichtkunst
wendeten die größten Geister der Nation ihre Talente zu, und es sind fürwahr keine
Geringen, welche Württemberg damals in die Reihe der Dichter slellte:— Wie-
land, Schubart, Schiller! 1) — Während Klopstocksich als den begeisterten
christlichen Dichter voll der höchsten Anschauungen und erhabensten Ideale, als
den deutschen Dichter voll tiefen, reichen Nationalgefühls darstellt, Les-
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1) S. Vilmar, Geschichte der deutschen National-Literatur, S. 429 ff.; Weber,
Geschichte der deutschen Literatur, S. 50 ff.; Sehrwald, deutsche Dichter und Denker
u. a. m.