8. 25. Allgemeiner Ueberblick. 65
4) Im Kadaner Vertrag im Jahr 1534 erhält Ulrich nach
der Eroberung seines Herzogthums dasselbe nicht mehr als Reichslehen, sondern
als österreichisches Afterlehen zurück mit der Bestimmung, daß das
Fürstenthum nach dem Aussterben des württembergischen Manns-
stammes an die Erzherzoge von Oesterreich als Reichslehen zu-
rückfalle. Zudem bleibt spanische Besatzung im Lande.
5) Herzog Christoph hat zwei Jahre, von 1550 — 1552, Mühe, um
als anerkannter Fürst in den Besitz selnes Erbes zu kommen, und muß dafür
den Kadaner Vertrag anerkennen und 250,000 fl. bezahlen, wo-
gegen die spanischen Besatzungen aus dem Lande gezogen werden.
6) Herzog Friedrich I. will die Lehensrechte Oesterreichs nicht mehr
anerkennen und erhält im Prager Vertrag#im Jahr 15990 das Her-
zogthum als Reichslehen, jedoch auch mit der Klausel, daß beim
Aussterben des Mannsstammes das Land an Oesterreich zurück-
falle, weßhalb dessen Erzherzogen das Recht verbleibt, Wappen
und Titel von Württemberg zu führen. Für den Verzlcht auf die After-
lehenschaft müssen 400,000 fl. bezahlt werden.
7) Erst der westfälische Frieden (16 48) bringt unserem
armen, geplagten Lande seine Selbständigkeit und Freiheit wie-
der. Seine politischen und religlösen Verhältnisse sind endlich nach 150 Jahren
von dem Bann habsburgischer Politik befreit.
Mit der politlschen Unterdrückung gieng die der Reformation
Hand in Hand. Besonders das Interim und der dreißigjährige Krleg brachten
schwere Zeiten über Württemberg; am Ende dieses Kriegs griff der religlöse und
sittliche Verfall tiefer ein als der ökonomische. Für die evangellsche Kirche
aber, welche in todten Buchstabenglauben versunken und in demselben beinahe
erstorben war, mußte diese harte Prüfungszeit eine Schule der Läuterung und
Reinigung werden.
Betrachten wir noch die inneren Verhältnisse Württembergs
in dlesem Zeitraum! Eberhard im Bart hatte zum innern Ausbau des Lan-
des einen guten und festen Grund gelegt, er selbst war mit seinem segensreichen
Wirken „das Saatkorn einer neuen Welté“!) geworden. Es blieb
seinen Nachfolgern die Aufgabe, an dem begonnenen Werk weiter zu arbeiten. Aber
die Leidenschaftlichkeit und der Trotz Ulrichs brachten das Land dem Untergange
nahe. Der augenblicklichen Noth, in der sich der Herzog befand, verdanken wir
die Grundlage unserer Rechte und Freiheiten — den Tübinger Vertrag,
der von Ulrich wie von seinen Nachfolgern beschworen, aber von manchem der-
selben nicht eingehalten wurde. Der weisen und tüchtigen Reglerung Christophs,
eines Mannes, der durch die Schule tiefer Leiden schon in selner Jugendzeit und
nachher während seiner Reglerung, gegangen war, blieb es vorbehalten, die
hohe Aufgabe zu lösen, den inneren Ausbau des württembergischen
Staats= und Kirchengebäudes durchzuführen. Seine Uneigennützigkeit
und Hingebung, seine Beharrlichkeit und Weisheit haben aus ihm einen Fürsten
gemacht, der nicht bloß „#in Vater des Vaterlandes“ im engeren Stnne,
sondern auch ein leitender Stimmführer in den wichtigsten politt-
1) „Ihr seid das Saatkorn einer neuen Welt!“ Uhland.
Staiger, Geschichte Württembergs.