Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Zweiter Band. (2)

Die strategische Lage am 8. und 9. Oktober 187 
der österreichischen Operationen auf der einen und der Rührigkeit der russi- 
schen Heeresleitung und der Zweckmäßigkeit der von dem Großfürsten ge- 
troffenen Gegenmaßnabmen auf der anderen Seite gestaltete. 
Als die österreichisch-ungarischen Armeen am 9. Oktober den San er- 
reicht und Drzemysl eneseht hatten, war Hindenburgs Flankenstoß zu einer 
Auswirkung gelangt, die dem Maß von Kraft und den räumlichen PVer- 
hälenissen entsprach, von denen er abbängig war. Seine unmittelbare Wir. 
kung war geringer als die mittelbare. Jene endete vor den Wällen von 
Iwangorod, diese gab den Osterreichern Westgalizien zurück und legte den 
AUngarn die Karpathenpässe wieder in die Hand. Die NRussen hatten den 
Einbruch in ihre Flanke zwischen Zawichost und Jwangorod zum Stehen 
gebracht. Es war ihnen gelungen, so starke Kräfte an der Weichsel und in 
den Brückenköpfen von Iwangorod, Nowo-Alexandrija und Zawichost zu 
versammeln, daß die deutschen Korps und die mit ihnen vorgehenden Truppen 
General Dankls die Stromschranke nicht überschreiten konnten. Die Flanken- 
bedrohung war also nicht zum unmittelbaren Einbruch in den polnischen 
Festungsraum geworden, die Kraftquellen der russischen Angriffsarmeen 
waren nicht verschüttet. Man kann indes zweifeln, ob einer Durchführung 
des Flankenstoßes über die Weichsel in die russische Grundstellung ein durch 
greifender Erfolg beschieden gewesen wäre. Daran war angesichts der 
starken Reserven, die Nikolai Nikolajewiesch schon um die Monatswende 
bei Lublin und Brest--Litowst aongehäust batte, kaum zu denken. Eine bei 
Jwangorod und Zawichest übergehende deutsche Armee war troh des gegen 
Mszconow vorgeschobenen linken Flügels von Warschau her in der linken 
Flanke bedroht und konnte es auf dem rechten Weichselufer nicht auf eine 
Schlacht ankommen lassen, die mit dem 1200 Meter breiten, von Hoch. 
wasser geschwellten Strom im Rücken und Warschau in der Flanke hätte ge- 
schlagen werden müssen, von der Empfindlichkeit der rüchvärtigen, im weg- 
losen Polen verlaufenden Verbindungslinien ganz zu schweigen. 
Ein solches Unterfangen wäre nur dann zum strategisch begründeten, 
wohlerwogenen Wagnis geworden, wenn die Osterreicher die russischen 
Armeen zwischen Dunajec und San ereilé, geschlagen und geworfen hätten 
und mit ihnen über den San gedrungen wären. Dem hatte Nikolai Nikolaje. 
witsch vorgebeugt, als er, wenn auch spät, so doch früh genug, ganz auf die 
Ausbeunkung der galizischen Ersolge verzichtete, zwei Angriffsarmeen berum- 
warf und vom San an die Weichsel zog, wäbrend Nachhuten im Bunde 
mit dem galizischen Herbstregen die Österreicher bis zum 9. Oktober 
westlich des Sauflusses und des Dunajectales festbielten. Der Großfürst 
hatte Drzemysl fabren lassen, um Iwangorod zu retten. 
Doch nun handelte er unter dem Zwang des Gesecßes, das Hindenburg 
mit raschen Zügen vorgeschrieben batte, als er vom Rjemen zur Warta eilte, 
in Gegenmärschen das polnische Glacis überschritt und am 7. Oktober vor
	        
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