270 Der Feldzug im Osten vom 6. Nov. bis 17. Dez. 1914
Nähe Thorns noch leine Kenntnis von der Sammlung einer deutschen An.
griffsarmee zwischen Thorn und Hohensalza. Selbst die Zurücknahme der
8. Armce an die Seenschranke und das Ausweichen Zastrows auf Soldau
scheint sie nicht zum Nachdenken veranlaßt zu haben.
Das strategische Bild ist den Russen auch in den Nord- und Südgassen
des ungeheuren Kriegstheaters dunkel geblieben. Dort aber, wo sie seine
Amrisse wahrzunehmen, ja Zeichnung, Farbe und Zusammenstellung deutlich
zu unterscheiden glaubten, auf der weitgespannten polnischen Vorderbühne,
die allmählich von der Masse ihrer unwiderstehlich vorrückenden Armee über.
flutet wurde, sahen sie den großen Gegenspieler erst, als er ihnen aus der
rechten Gasse in den Nacken sprang.
Der Vormarsch der russischen Hauptarmee
Oer Großfürst ist seines Erfolges am 10. November sicher und fürchtet
keine Flankenbedrohung mehr, nachdem seine Flügelarmeen sich näher heran.
gezogen haben, um die Stoßkraft der großen Armee zu unterstüßen. Auf
dem linken Flügel haben die 3. und 8. Armee die Linie Sanok—Oynow—
RNzeszow—Mielec erreicht und sind im BVormarsch auf Dulla und Tarnow,
während die 11. Armee Przemysl umschließt. Auf dem rechten Flügel stehen
die Korps der 10. Armee vor Angerburg und Lögen, die rechts der Weichsel
fechtenden Teile der 1. Armee vor Willemberg und Soldau. Die große
Mittelarmee schiebt sich aus dem Weichselbogen gemessen, aber unaufhaltsam
vor. Oie links der Weichsel vorgehenden Korps der 1. Armee sind am 10.
November bis Wloclawel—Lubranice gelangt, indem sie schwache deutsche
Kräfte — das 54. Infanterieregiment und Landsturm — zum Ausweichen
zwingen, und stehen vor den Wäldern von Thorn und Hohensalza. Die 2.,
5., 4. und 9. Armee rücken als geschlossene Masse gegen die Warta und die
Szreniawa vor. Dabei trachtet sich die 2. Armee zur AUmfassung des linken
Flügels der Wartastellung auszubreiken, während die 5. und 4. Armee in
die Frone Wielun—Czenstochau einzubrechen suchen und die 9. Armee auf
Krakau vordringt.
Hinter einem dichten Schleier von Kosaken= und Dragonerdivisionen
schiebt sich der riesige Sturmbock eines „bataillon carré“ von vier Armeen
zum entscheidenden Zentrumssioß zurechk.
Wenn auch der Vormarsch der Russen langsam gedieh, so mußte sich doch
das Gewicht ihrer Masse bald stärker fühlbar machen. Hinter den russischen
Fronten arbeiteten viele Tausende, um die zerstörten Bahnen und Wege
wiederherzustellen. Der ganze Raum zwischen der Weichsel und der Warta
hallte vom VBormaisch der großen Mmee, deren Kolonnen sich mühsom,
aber krafivoll vom Fleck bewegten. Drang der Stoß durch, so wurde die