Full text: Hermann Stegemanns Geschichte des Krieges. Zweiter Band. (2)

410 Der Feldzug im Westen vom 16. Nov. 1914 bis 15. Febr. 1915 
Die Abwehr hatte jedoch die volle Kraft des Verteidigers erfordert, 
der mit weit geringeren Kräften im Felde lag als Engländer und Franzosen. 
Der Angriff von Lombartzyde, der Berlust von St. Georges, die Gefechte 
bei Korteker und Ppern, die Einbuße von Vermelles, das Ringen um den 
Lorettoberg und der Kampf vor den Toren von Arras und Albert, die 
Gefechte im Sundgau, die Schlacht bei Soissons und das Gefecht bei La 
Creute hatten Joffre den ersten Begriff von der Berennung einer von 
Deutschen verteidigten Kordonstellung gegeben. Der allgemeine Angriff hatte 
die ganze Kordonskellung in Schwingung gebracht, in Flandern, im Arkois 
und an der Aisne, in der Champagne und in den Vogesen sogar eine starke 
Spannung erzeugt, war jedoch nicht auf eine Zusammenfassung der Kräfte 
an den entscheidenden Stellen ausgegangen, sondern hatte zu einer Zer- 
streuung nebeneinander eingeseczter Kräfte gefübrt und war dadurch von 
vornherein um die Auswirkung gebracht worden. 
General Joffre ist sich der fehlerhaften Anlage seines gewaltigen ersten 
Angriffs der deutschen Kordonstellung rasch bewußt geworden. Er hart nicht 
nur aus den erstrittenen kleinen Teilerfolgen, sondern auch aus dem klar zutage 
liegenden allgemeinen Mißerfolg alsbald wichtige und richtige Folgerungen 
gezogen. Da der Schwung des französischen Heeres aus den Dezember. 
und Januarkämpsen unversehrt hervorgegangen war, blickte der Generalissimus 
troh des schweren strategischen Fehlschlages mit Vertrauen in die Zukunft. 
Er begnügte sich damit, eine Entlastungsoffensive geführt zu haben, die mehr 
Entlastung vortäuschte, als sie den Verbündeten im Osten in Wirklichkeit 
gespendet hatte, und stellte seine eigenen Pläne zurück. Der sranzösische 
Generalskab bewahrte trotz der Schläge bei Soissons und La Creute die 
zuversichtliche Auffassing der allgemeinen Kriegslage und der besonderen 
strategischen Verhältnisse an der Westfront, obwohl er sich nicht verhehlen 
konnte, daß der erste Angriff auf die deutschen Stellungen fehlgeschlagen 
und die Aufzählung meterweise gewonnenen Geländes in seinen Feldberichten 
ohne Wert war. 
Als Entlastungsunternehmen besaß Joffres Dezemberoffensive auch dann 
Bedeutung, wenn ihr ein unmittelbarer Erfolg versagt geblieben ist und die 
Deutschen zu ihrer Abwehr keine einzige Division von Osten nach Westen 
umgelenkt haben. Der französische Oberbefehlshaber fühlte sich mehr als je 
in seinem Element. Die Erstarrung des Bewegungsfeldzuges im Stellungs- 
krieg hatte ihm die Aufgabe von den Schultern genommen, mit dem locker 
gefügten französischen Heere und der schwerfälligen britischen Armee offene 
Schlachten zu schlagen und Manöver zu machen, die weder seinem eigenen 
Wesen noch den Fähigkeiten mancher seiner Unterführer entsprachen. Das 
große Ringen um die Flanken, die endlosen Märsche und Gegenmärsche 
hatten ein Ende genommen, und es bedurfte keiner bligschnell zu fassenden 
Emschlüsse im Toben der Feldschlacht mehr. Vielmehr war fortan die Möglick-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.