Landtag ist es anders. Auf die preußische Landesversamm-
lung schauen aus den Städtebildern an den Wänden unsere
Dome pernieder, die Zeugen alter Bürgerherrlichkeit vom
Pregel bis zum Rhein, die Zeugen einer kraftvollen
Entwicklung in vielen JZahrhunderten des deutschen
Wachstums.
Man wagt es heute kaum, den Blick zu ihnen zu erbeben.
Man sieht wie durch Nebel; und Grauen rieselt herab.
Schon sind im Hause die Friedensbedingungen der Entente
bekanntgeworden. Aber niemand denkt daran, die Sitzung
aufzuheben. Es ist fast unerträglich, die satte sozialdemo-
kratische Spießbürgerlichkeit des Mehrheitsgenossen Schubert
anzuhören, der ganz vergilbte Leitartikel redet; gegen die
unersättlichen Agrarier und so. In einer Zeit, in der die
Staatseisenbahnen, dieser schon längst und zuallererst bei uns
sozialisierte Betrieb, über zwei Milliarden Mark Fehlbetrag
aufweisen, empfiehlt er möglichst viel weitere Sozialisierungen,
doch müsse „natürlich“ jeder sozialisierte Betrieb seine Un-
kosten decken. Vorerst leben aber doch alle die Sozialisierungen
nur von Vermögenskonfiskationen; und diese Herrlichkeit hat
bald ein Ende. Auf derselben Höhe nationalökonomischer
Erkenntnis steht Schuberts Satz, daß man auf dem Lande —
durch genossenschaftlichen Betrieb eine Produktionssteigerung
erreichen müsse. Luft! Luft! Man faßt sich in den Kragen,
um in dem Platzregen dieser Weisheit nicht zu ersticken. Und
das am Tage von Versailles. Der deutsche Spießer ist immer
noch blind und taub.
Der Deutsche Volksparteiler v. Richter, der von dem Hoch-
sitz pergekommen ist, den einst der kluge Bennigsen einnahm,
wirkt trotz der Länge seiner Rede als eine Erholung; denn es
ist kein Salbadern, sondern fachmännische Kritik des Etats,
was der alte Berwaltungsbeamte, der ehemalige Ober-
präsident von Hannover, vorbringt. Und doch: Verseailles,
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