Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

Familien, die in der Nähe des Nationaltheaters wohnen, 
möchten für die nächsten Wochen am liebsten verreisen, weil 
allerlei wilde Gerüchte erzählen, die Nationalversammlung 
werde „gesprengt“ werden und dabei könnten auch die um- 
liegenden Häuser in die Luft fliegen. Man sieht die Ein- 
quartierung, soweit man selber an ihr beteiligt ist, gern. 
Auch wenn „nur“ die Höchstpreise bezahlt werden, stehen sich 
die Vermieter nicht schlecht. Außerdem soll jeder, der einen 
Regierungsbeamten, einen Abgeordneten, einen Dresse- 
vertreter beherbergt, reichlich Kohlen erhalten, und das ist 
augenblicklich eine sehr ersehnte Sache. Nur sind noch nicht 
genug Kohlen da. Ein Kohlenzug ist vom Arbeiter- 
und Soldatenrat Eisen ach abgefangen worden, ein 
anderer anderswo. Je näher man Weimar kommt, desto 
enger wird das Netz dieser Raubritter und Zollerheber. Die 
Hohenzollern sind bei uns abgeschafft; und die Zustände bei 
une ähneln nachgerade auch ganz denen, die wir vor den 
Zeiten der „Faulen Grete"“, die den damaligen Schnapp- 
hähnen das Handwerk legte, gehabt baben. 
Zn Weimar selbst jedoch braucht man keine Angst zu haben, 
denn da ist — Berliner Schutzmannschaft eingezogen. Wir 
haben so viel über den Polizeistaat geschimpft. Zetzt bält er 
aber den Revolutionesstaat über Wasser. Ohne die Kräfte 
des „alten Soystems“ wäre das „neue Soystem“ schon zu- 
sammengebrochen. Auch Soldaten — vom Landesjägerkorpe, 
mit schwarzweißroten Kokarden und sonstigen Abzeichen — 
sieht man in beruhigender Menge. Ich glaube an keinerlei 
Gefahr in Weimar, dem stillen Residenzstädtchen und 
Pensionopel, das kaum Fabrikvolk hat. Es wird ganz fried- 
lich sein. 
Nur sehr unbequem. Es fehlen nicht nur die Berliner 
Räume für Beratung und Arbeit, für Parteien und Presse. 
Es erweist sich nicht nur das Post- und Fernsprechwesen als 
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