Das ist das heutige Preußen in seiner Eliteversammlung.
Zedenfalls wissen wir heute, wo „das Land der unbegrenzten
Möglichkeiten“ liegt. Nicht etwa jenseits des großen Teiches.
Dort hat man noch keine Geldschrankknacker zu Polizeipräsi-
denten gemacht. Und dort nennt man Anarchie nicht Re-
gierung.
Die Feigheit schwillt
Weimar, 19. Juni
An einem Königswort soll man nicht drehen und deuteln.
„Bin ich ein König?“ kann Scheidemann aber einwerfen
und lächelnd die Schwurhand massieren, die doch nie ver-
dorren wird, selbst wenn an seiner Stelle seine Leute unter-
schreiben. Ein König haftet mit Thron und Ehre, ein parla-
mentarischer Minister aber zieht sich schlimmstenfalle eine
Zeitlang ins Privatleben zurück und wartet dann auf die
Stunde, wo er erneut und unbemakelt, wie nach einem
guten Konkurs, wieder ins politische Geschäftsleben eintreten
kann. Der Parlamentarismus ist eine Hochschule für die
Feigbeit; die Mehrheit deckt alles.
Der Scheidemannz-Friede, den, als er endlich da war, sein
erschrockener Erzeuger selber als unerträglich und unannehm-
bar bezeichnete, scheint leider, trotz seiner Abnormität, von
einer wachsenden Gemeinde anerkannt zu werden. In der
Aula der Berliner Universität, wo die Nationalversammlung
ihn noch einmütig zu zerreißen bereit war, erhoben an die
vierhundert Männer die Hände wider ihn. In Weimar
fahren viele dieser Hände verlegen unter die Altweiberschürze.
Zuerst sank den Zentrumsleuten aus dem Westen und den
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