Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

gestanden. Man sollte die Honoratioren einer Partei, die als 
Persönlichkeit etwas bedeuten, nur die gelegentlichen, kurzen, 
monumentalen Erklärungen verlesen lassen. Heute wäre ein 
Volksredner nötig gewesen, ein Antonius an der Bahre 
Cäsars. Ein Aufwirbler aller Leidenschaften, eine Posaune 
des ZJüngsten Gerichts über Deutschlands Verderber. Daß 
nicht nur die Hörer, sondern auch nachher die Leser bis ins 
Mark erschüttert worden wären, sich die Rede ausgeschnitten 
und für Kind und Kindeskinder unter dem Heiligsten auf- 
bewahrt hätten. Dieser Aufschrei bleibt aus. Heute oder nie 
wäre die Gelegenheit gewesen, das Panier für die Kommen- 
den aufzupflanzen, die einst die deutschen Verräter stürzen 
werden. 
Aber mit lohender Beredsamkeit und hallendem Organ 
füllt diesmal Professor Kahl die Lücke einigermaßen wieder 
aus; etwas von dem verwegenen Feuer des ewigen Ger- 
manenjünglings steckt in diesem Siebzigjährigen und gleich- 
zeitig etwas von der hinreißenden sittlichen Kraft des Richters 
und Propheten. Ohne Scheu tritt er vor den König Plebs 
und ruft sein „Du bist der Mann 1“ ihm zu. Auch rein rhetorisch 
ist seine Stufenfolge des wiederholten „Wir lehnen ab“ mit 
der jedesmaligen Begründung noch wirkungsvoller ale einst 
Zolas „Sch klage an“, ist so erschütternd, daß eine Abgeord- 
nete des Zentrums, schwankend geworden und in tiefster 
Seelennot, sich beim Nachbar Prälaten erst noch einmal Abso- 
lution für die Abstimmung holt. Die Abstimmung für Unter- 
schreiben natürlich. Denn in diesem Parlamente ist die deuts che 
Ehre verloren, auch wenn Erzengel redeten. 
Eine Fundgrube für kommende Geschichtschreiber, aber 
auch für gegenwärtige Politiker, sind die Ausführungen des 
Sozialdemokraten Loebe. Es scheint, daß auch er die Nerven 
und den taktischen Verstand verloren hat. Bisher bieß es 
doch immer, die Republik werde uns das goldene Zeitalter 
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