Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

könnten gegen ihren Willen zerschnitten, zerlegt, zerfetzt werden, 
alles könne man ihnen nehmen, weil man nach Beseitigung 
ihrer Steuerhoheit mit dem Steuerhebel eben alles erpressen 
könne. Sogar die eigene Beamtenschaft nehmen, denn heute 
gebe es freie Bahn nur für — den „SGesinnungstüchtigen“. 
Eigentlich müßte das Zentrum, das einst unter den Brüdern 
Reichensperger ausdrücklich zum Schutze der bundesstaatlichen 
Rechte sich als Fraktion begründete, andauernd „Sehr richtig!“ 
rufen. Es schweigt aber verbissen still, schweigt still und glotzt 
mißgünstig zum Störenfried der schwarz-rot-goldenen Herz- 
einigkeit binauf. 
Zn dem Hurre, Hurre, Hopp der Abstimmungen gibt es 
gegen Ende noch einen längeren Aufenthalt bei den Wahl- 
rechtsparagraphen. Die beiden nationalen Parteien regen 
eine Hinaufsetzung des Wahlalters an, da man mit zwanzig 
Zahren wirklich noch keine politische Reife besitze. Die Ab- 
geordnete Fräulein Behm, die um ihrer herzgewinnenden 
Art willen nicht nur von den Heimarbeiterinnen, denen ihr 
Lebenswerk gilt, sondern auch von den Kolleginnen im Par- 
lament „Muttl“ genannt wird, spricht mit überzeugender 
Wärme dafür. Sie hat natürlich tausendmal recht. Ob die 
vaterländisch richtige Anregung der Deutschnationalen und 
der Deutschen Volkspartei aber auch parteitaktisch richtig ist, 
kann man bezweifeln. Parteitaktisch richtiger wäre es viel- 
leicht, den Teufel der Massenumschmeichelung zu überteufeln 
und das Wahlalter auf achtzehn Zahre oder noch früher herab- 
zusetzen. Man hat rechts immer noch zuviel Scheu vor Dema--- 
gogie. Die Masse — oder das „Unvolk“, wie Naumanns 
Freund Professor Sohm sie nannte — fällt aber immer dem 
größten Bieter zu. Frau Zietz kreischt natürlich auch gleich 
los. Wolle man etwa behaupten, daß eine Zwanzigjährige, 
die Mutter sein und Kinder aufziehen müsse, noch unreif sei? 
Oieser Schlagwortmechanismus zieht. Niemand denkt daran, 
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