Ministertisch Platz nimmt. Kaum hat Katzenstein geendei,
so erhebt sie sich, obwohl sie nicht das Wort hat, und beginnt
unter wütendem Läuten der Präsidentenglocke zu reden.
Man versteht nur die Worte: Von der Maas bie an die Memel!
Es stellt sich bald heraus, daß sie dem Hause überhaupt nicht
angehört, und zwei Diener führen sie ab. Die Gerüchte, die
in Weimar seit mehreren Tagen umherlaufen, daß ein Attentat
gegen die Nationalversammlung beatbsichtigt sei, erhalten
auf einmal neue Nahrung. Alber selbstverständlich kann es
sich, wie auch der Präsident unter einer bezeichnenden Hand-
bewegung andeutet, nur um eine geistig Gestörte handeln.
Oem bisherigen Minister Landsberg hatte sie melden lassen,
daß sie zur Regierung gehöre. „Wenn sie verrückt ist, dann
ist es richtig, dann gehört sie dazu !“ antwortete er trocken
dem Boten.
Der Kampf um die Stellung des Reichspräsidenten in der
neuen Verfassung wird heute begonnen und vor Austragung
abgebrochen. Der junge Leipziger Historiker Dr. Philipp,
der Mitarbeiter des Professors Horst Kohl bei der Herausgabe
der Bismarckbriefe, erklärt sich namens der Deutschnationalen
für eine Ausgestaltung der Stellung des Reichspräsidenten
zu der einer wirklich handelnden und führenden Person. Es
sind eine ganze Reihe von Sätzen in der neuen Berfassung
dem Reichspräsidenten gewidmet. Worte, nichts als Worte.
Wenn man näher zusieht, so erkennt man, daß er das einzige
Recht besitzt, ein Gehalt von 600 000 Mark jährlich aus Reichs-
mitteln zu verzehren. Kurz, ein Ruheposten für einen ver-
dienten Parteimann. Die Rechte wünscht statt dessen einen
wirklichen Führer der Nation. Sie lehnt es daher auch ab,
daß mit einfacher Mehrheit ein Mann dazu gekürt werde,
der dann tatsächlich als Bertreter einer Minderheit den höchsten
Sessel besteigt. Es sei das ungeheuerlichste geschichtliche Kurio-
sum, sagt Pbilipp, daß das überwiegend bürgerliche deutsche
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