45 Oienstjahre hinter sich hat, so kann er von seiner Pension
sich kaum ein Pfeischen anständigen Tabak leisten. So sehen
Theorie und Praxis im neuen Deutschland aus, wenn sie
aufeinandertreffen. David sagt den Beamten, heute trüge
jedeer den Marschallstab im Tornister. Noch einmal: welch
eine Heuchelei! Der Marschallstab ist für die Gesinnungs-
genossen, die nichts gelernt zu haben brauchen; für den Be-
amten ist der Krückstock gut genug.
Oer Sozialdemokratie, aber auch den Rednern der anderen
Parteien, ist die heutige Interpellation der Rechten ersichtlich
peinlich. Selbstverständlich schießen sie auch den uralten
brüchigen und stumpfen Bolzen ab, daß es sich nur um eine
parteipolitische Aktion bei dieser formalen Anfrage handle.
Selbst wenn es so wäre: Wird nicht heute alles zur Partei
gepreßt? Auch unser früher über den Parteien stehendes
Beamtentum wird sich wandeln müssen. Es wird den Par-
teien zufallen, die so schnell und so energisch als nur möglich —
das jetzige Parteiregiment vom Throne stoßen.
Man hat es durch die Verfassung nach allen Seiten versteift
und gesichert. Die Oberbonzen haben sich sozusagen mit dem
Hosenboden auf dem Thron festnähen lassen. Aber siehe da,
es ist mur Papierstoff; Herr Loebe hat's gesagt.
Wie lange noch?
Weimar, 2. August
Hie Eroörterung in der Nationalversammlung über die
„Enthüllungen“ Erzbergers ist abgeschlossen. Wir haben
dazu aber noch ein nicht unwichtiges Nachwort zu sprechen.
Von Kriegsbeginn an hatte Erzberger die Beeinflussung der
öffentlichen Meinung im In- und Auslande „zugunsten
Oeutschlands“ in seine Hand genommen und dazu eine runde
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