hat, durch ihre vielen Eingaben nur den Schein erweckt, als
täte sie etwas. Warum setzt sie, die ja eine so große Praxis
in „flammenden“ Aufrufen hat, nicht die gesamte Welt damit
in Brand? Herr Erzberger hat doch während des Krieges
mit den vielen vom Reiche ihm in blanco zur Berfügung
gestellten Millionen angeblich eine riesenhafte Organisation
zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung im Auslande
geschaffen; da soll er sie doch einmal knarren lassen. Es ist
geradezu kindisch, wenn uns vorerzählt wird, die deutsche
Regierung habe gar keine anderen Mittel, die Herausgabe
unserer Gefangenen zu beschleunigen, als die üblichen weh-
leidigen Bettelbriefe an Clemenceau. Wo ein Wille ist, da
ist auch ein Weg. Aber es scheint wirklich, daß unsere neuen
Regenten schon damit zufrieden sind, daß man für den sozial-
demokratischen Minister Hoffmann in München seinen Sohn
und für den Zentrumeminister Erzberger seinen Freund
Hölzle losgebettelt hat. Das ist das Bakschisch, das die Entente
unseren Hochmögenden zuwirft, weil sie im übrigen mit ihren
Oiensten außerordentlich zufrieden sein kann. Unsere übrigen
Gefangenen aber, die schon seit Monaten zu Hause sein könnten,
wird die Entente frühestens in diesem Herbst entlassen, nach-
dem sie die Ernte in Frankreich und Belgien und England
eingebracht haben.
Wer heute auf die Tribüne der Nationalversammlung ge-
langt ist, der hat Glück, denn er erlebt jenen „anderen“ Erz-
berger, der zuerst als Benjamin des Reichstags durch seine
Fixrigkeit und Auffassungsgabe das Zentrum fasziniert hat
und nun der Sozialdemokratie unentbehrlich geworden ist.
Eine in ihrem gemeinverständlichen Aufbau glänzende, un-
gemein volkstümliche Rede über Finanzen und Wirtschaft
und Steuern hält die Hörer in Bann. Schon sind zwei Stun-
den der Rede nach allem übrigen herum. Oie Luft in dem
Tbeater fängt an entsetzlich zu werden. Den Leuten im dritten
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