Abhalfterung
Weimar, 18. August
Dem „Mann auf der Straße“ wird alles bewilligt, denn
vor ihm allein hat die Regierung Angst. So kommt es, daß
auch Zuhälter Arbeitslosenunterstützung erhalten. Wir andern
müssen dafür die Steuern bezahlen. Weit weniger, aber
immerhin noch einigermaßen, sorgt die Regierung für die
Beamten. Am rücksichtslosesten wird mit den Angebörigen
der Wehrmacht, Offizieren und Kapitulanten, umgesprungen.
Da der Heeresdienst demnächst stillgelegt wird und bie auf
eine kleine Polizeitruppe alles auseinanderläuft, braucht
man vor ihm nämlich keine Furcht mehr zu haben.
Aun hält auch Noske die Zeit für gekommen, wo er, der
bieher bei der großen Masse der Roten in schwerem Verruf
stak, sich wieder in die Bierehrlichkeit zürüctpauken kann. Oie
militärfreundliche Maske ist nicht mehr nötig. Die nationalen
Zeitungen, die für die wohlerworbenen Rechte der Offiziere
und gegen die einseitige Auflösung des Staätsvertrages mit
ihnen eingetreten sind, nennt Ncoske heute „direkt nichts-
würdig“. Noch vor wenigen Monaten aber wäre man ohne
sie verloren gewesen. Den großen Erfolg ihrer Werbeanzeigen
sah man gerne. Den jungen Offizieren, die um Weiter-
dienen in den Freiwilligenkorps angefleht wurden, versprach
man alles mögliche. Heute aber setzt man sie alle, soweit sie
nicht vor länger als fünf Zahren eingetreten sind — das sind
nabezu 10 OO0 Mann — einfach auf die Straße und gibt
denen, die bis zu 10 Dienstjahren hinter sich haben, auch nur
eine karge Abfindung mit auf den neuen Lebensweg in das
Ungewisse. Unter dem Beifall der Genossen leugnet Noske,
daß man irgendeine Dankespflicht ihnen gegenüber habe,
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