Fehrenbach ist freilich Rechtsanwalt, also Parteivertreter
von Beruf — wird vollkommen ruiniert. Es wird bei seinem
Verhalten noch soweit kommen, daß man sich demnächst sagen
wird: in dem oder jenem Hause könne man keinen Besuch
machen; da verkehrten ja Minister, Parlamentepräsidenten
und äbnliche Leute.
Gesetzgebungs-Hypertrophie
Weimar, 19. August
Das Parlament befindet sich in einem Zustand, den die
Arzte als „dpsämische Verfettung“ bezeichnen würden. Hoch-
rot und kurzatmig sitzt der Abgeordnete da, stiert vor sich hin,
versteht nichts mehr und wird trotzdem mit Gesetzen genudelt,
genudelt vom Morgen bis zum Abend. Eine Stichprobe für
einige Tage hat ergeben, daß man täglich 6½ Pfund be-
druckten Papiers vorgelegt bekommt. Oie Reichsabgabe-
ordnung allein hat 440 Paragraphen. Es ist phosisch aus-
geschlossen, dies alles auch nur zu schlucken, geschweige denn
zu verdauen. Einige wenige Parlamentarier verschaffen sich
einen Uberblick über einzelne Teile und reden dazu. Oie
Masse stimmt besinnungslos ab. Um ein Haar wäre jüngst
in einem Gesetz ein vollkommener Unsinn angenommen
worden, weil im Oruck eine Zeile ausgefallen war und nie-
mand von der Regierung, niemand von der Mehrheit es
gemerkt hatte; erst ein Mitglied der Rechten verhinderte, als
es zufällig darauf stieß, in zuvorkommender Art die Blamage.
Es geht dem Parlament schließlich so, wie einst dem Ab-
teilungekommandeur eines Feldartillerieregiments in Mainz,
der apathisch alles unterschrieb, was ihm vorgelegt wurde,
darunter eines Tages auch folgendes Schriftstück: „Ich er-
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