apollinisch schlank aus. Das Haus weist große Luͤcken auf,
nur Sozialdemokratie und Zentrum sind fast vollzählig da.
Die Deutsche Volkspartei hat nur ein paar Herren als Beob-
achtungsposten geschickt. Die Deutschnationalen fehlen de-
monstrativ; einzig und allein Herr v. Grgefe ist zu sehen,
aber nur als Chronist seiner „Mecklenburger Warte“ bei den
Berichterstattern auf der Galerie. Die Feier selbst, von
Orgelklang — Krönungsfest in Rheims — eingeleitet und
geschlossen, ist sonst prunklos und doch festlich und nicht ohne
Würde. Oas wollen wir gern feststellen. Es gibt zwar ein
paar peinliche Augenblicke im Zeremoniell, denn man hat
die Eidesformel für Ebert nicht gleich zur Hand, und Seine
Exzellenz tritt eine ganze Weile verlegen von einem Fuß
auf den andern, denn auswendig kann er die paar Sätze nicht
sagen; aber das ist nicht schlimm, er wird in seine Würde
noch bineinwachsen und die längsten Rauscherschen Festreden,
immer mit einem Ahlandzitat, zu memorieren wissen.
Also Ebert beschwört die Verfassung. Man fragt sich im
stillen, was länger halten wird, der Schwur oder die Ver-
fassung. '
Dann machen die drei süddeutschen Herren, der badische
Zentrumemann Fehrenbach, der badische Sozialdemokrat
Ebert, der schwäbische Demokrat Paper, die nötige Beweih-
räucherung. Oie große Brille und das Blättchen in der
Brusttasche hat Ebert nicht vergessen; es geht alles gut. Kein
Preuße spricht. Preußen ist zerfetzt im Osten und im Westen,
Preußen hat die schwerste Blutrechnung zu bezahlen, Preußen
soll noch weiter zerstückelt werden. In der Führung Deutsch-
lands hat es schon längst abgedankt, und es ist mehr als
ein Zufall, daß die drei Süddeutschen heute die Regie
führen.
Die Reden halten sich von Verletzung der Andersdenkenden
nicht frei. Auch an diesem Festtage wird Parteipolitik gemacht.
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