Aus Erzbergers Diktatheft
Weimar, 17. Februar
Es ist althergebracht, daß man eine Sitzung zum Zeichen
der Trauer aufhebt. Die heutige Sitzung der Nationalver-
sammlung wird aufgehoben, nachdem Erzberger das Ergeb-
nis seiner Arbeiten in Trier vorgelegt hat. «
Diesmal hat Erzberger nur drei Sätze schreiben müssen,
natürlich wie immer nach dem Oiktat des Feldmarschalls
Foch: 1. ist uns jeder Angriff gegen die aufständischen Polen
in unserem eigenen Lande jenseits einer Linie, die im wesent-
lichen die Provinz Posen von uns abschnürt, verboten, wodurch
auch Gemeinden mit rein deutscher Bevölkerung dem pol-
nischen Blutdurst ausgeliefert werden; 2. wird der sogenannte
Waffenstillstand fortan jederzeit binnen drei Tagen kündbar
sein, da die Franzosen noch neue härtere Bedingungen dem-
nächst ganz unvermittelt von uns erpressen wollen; 3. sollen
unsere bisherigen Zugeständnisse unter Aufsicht des Ober-
kommandos der Entente nunmehr bis aufs letzte durchgeführt
und eingetrieben werden.
Oerselbe Erzberger, der sich einst vermaß, uns den Frieden
sofort zu besorgen, wenn er sich nur zwei Stunden lang mit
Lloyd George darüber unterhalten dürfte, unterschreibt jetzt
schon dreiundeinhalb Monate lang nur ODiktate. Wir liefern
alles ab, was unser Reichtum war und was unseren Wieder-
aufstieg bedeuten könnte; wir geben das Hemd vom Leibe
her, nur müssen wir alles dieses vorerst noch verwalten, der
Entente also auch diese Arbeit abnehmen. Wenn wir inzwischen
noch unsere großen Betriebe sozialisieren, so ist das um so
bequemer für den Feind, da er sich dann das Staatseigentum
einfach überschreiben lassen kann. Hilflos starrt Erzberger den
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