Entmakelt
Weimar, 27. Februar
Wenn eine Revolution gesiegt hat, muß man ihr ge-
borchen“, sagt Kant. Es fragt sich nun, ob sie bei uns schon
so weit ist. Die Unabhängigen bestreiten es, weil sie einen
noch viel gründlicheren Umsturz erhoffen; und auf der bürger-
lichen Rechten denkt manch einer, daß die Revolution in ihrem
eigenen Unrat ersticken wird. Um so eiliger haben es die
vorläufigen Sieger mit der Anerkennung. Sie wollen „ehr-
lich" gemacht werden, den Makel der Illegitimität loswerden.
Daher soll die Nationalversammlung ein Ubergangsgesetz be-
schließen, das alle Berordnungen für gesetzlich erklärt, die seit
dem 9. November von den Volksbeauftragten erlassen worden
sind, außerdem ohne weiteres alle früheren Rechte des Kaisers
auf den Präsidenten, die des Bundesrats auf den Staaten-
ausschuß oder das kollegiale Reichsministerium, die des
Reichstags auf die Nationalversammlung überträgt, soweit
nicht die Notverfassung anderes bestimmt hat.
Herrn Cohns fiebernde Phantasie sieht darin schon allerlei
Schreckbilder — am Ende könne es nun Fritz Ebert plötzlich
einfallen, durch „königliche“ Order den Landsturm einzu-
berufen oder ähnliches mehr. Die beiden Parteien rechts
haben ebenfalls begreifliche Beklemmungen, wenn sie an die
Ubertragung der Ermächtigung des Bundesrate denken, ein-
schneidende wirtschaftliche Verordnungen zu erlassen. In
der Hauptsache kommt es aber unseren Regierenden doch
wohl nur darauf an, daß man sie entmakelt, der Berantwor-
tung für den wüsten Haufen der Revolutionsverordnungen
enthebt, kurz und gut, fünfe gerade sein läßt und einen dicken
Strich unter die Regiererei seit dem 9. November
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