Wir treiben!
Weimar, 1. MWärz
Cyrano de Bergerac wirft den Darstellern zum Lohn
seinen vollen Geldbeutel auf die Bühne. Erschrocken fragen
die Freunde, was er da mache, es sei ja sein ganzer Monate
wechsel darin. Cyrano aber hebt langsam seine Riesennase gen
Himmesl, schließt die Augen und sagt verzückt: „Mais quel geste!1“
Mit derselben Grandezza des Gascogners treten wir, die
ehedem so schüchternen Oeutschen, jetzt auf. Die große Geste
ist die Hauptsache. Dann sind wir zufrieden, auch wenn wir
bettelarm geworden sind und der Hunger in die kalten Schorn-
steine hereingrinst.
Es ist Geste, wenn die drei Dutzend weiblichen Abgeord-
neten der Nationalversammlung sich zusammentun und heute
durch den Mund der Frau Neuhaus vom Zentrum, die mit
ihren 65 Zahren vermutlich als Würdigste dazu ausgesucht
worden ist, eine Entschließung an die Adresse aller Völker
gegen die Hungerblockade und gegen die Gefangenenstklaverei
erlassen. ,
Es ist Geste, wenn der neue Kolonialminister Or. Bell in
einer Rede, die an sich recht brav ist, aber doch nur als Winsele
von den Feinden aufgefaßt werden wird, unsere moralischen
Rechte auf überseeische Besitzungen verficht.
Es ist Geste, wenn eine Tagesordnung von elf Gegen-
ständen, wie wir sie heute vor uns haben, wieder fast durch-
weg zu einem parteipolitischen Stechen benutzt wird: selbst
dem bieherigen Ernährungsminister Wurm und dem jetzigen
Landwirtschaftsminister Braun ist nur wohl, wenn sie mit
großartiger Armbewegung das „Agrariertum“ in den Sand
gestreckt zu haben glauben.
75