Polen hat gesiegt
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Weimar, 5. März
Mir ist es, als sei es erst gestern gewesen. Wir landen nach
heißem Fluge quer über Kleinasien, nachdem wir zuletzt den
wundervollen Blick auf das Marmarameer mit den Prinzen--
inseln tief unter uns genossen, auf der europäischen Seite:
der in Konstantinopel geborene türkische Leutnant polnischer
Herkunft und ich. Der schlanke, blonde junge Mann, mili-
tärisch stets überhöflich, der dauernd die Hacken zusammen-
schlägt und sich ruckweise verbeugt, wird plötzlich noch schlanker,
nachdem wir uns aus dem Fliegerzeug herausgewickelt haben,
reckt sich mit glimmenden Augen bochauf und stößt ganz un-
vermittelt hervor: « ··
„Pollen hat dän Weltkrieg gewonnen, Herr Majorr!“
So oder ähnlich mögen die Söhne der Verbannten von
1863, wie auch dieser Leutnant es ist, gegen Ende des Krieges
überall gesprochen haben, in allen Ländern Europas, drüben
in Amerika, am Kap der guten Hoffnung und bei den Diggern
Australiens. Seit 1795 haben sie auf den heutigen Tag ge-
wartet, über zwei furchtbar blutige und erfolglose Erhe-
bungen hinweg, eine zerschlagene und doch ungebeugte Nation.
Sie haben „den Weltkrieg gewonnen“, weil sie den natio-
nalen Egoismus zur Weißglut brachten; wir haben ihn ver-
loren, weil wir in lauem Altruismus der Menschheit an
den Busen sanken. Damit haben wir aber nicht einmal der
Menschheit gedient, obwohl wir une selber aufgeopfert haben.
Wir haben die Barbarei über altes Kulturland heraufbeschwo-
ren, das schon im Mittelalter eine Pflanzstätte deutscher Ge-
sittung gewesen und seit Friedrich dem Großen zur Blüte
durch unsere Arbeit gekommen ist. Heute hallen im Netze-
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