Hoffmanns Erzählungen
Berlin, 14. März
Am Rednerpult des Abgeordnetenhaufes steht seit ge-
schlagenen vier Stunden mit annoch frischer Stimme ein weiß-
umbuschter alter Mann und berlinert. Det macht Laune. Der
unverwüstliche Adolf Hoffmann ist es, der Urberliner, dessen
bester Witz sogar geschichtlich berühmt werden wird: daß er
sich im November zum preußischen Kultus minister machen
ließ. Heute ist er nicht mehr Regierung, sondern Opposition.
Und wenn er nicht gerade seinen Mutterwitz spielen läßt, nicht
Hauf Heiterkeit arbeitet“, kann er sehr massiv werden. Dann
gibt es einen Entrüstungssturm im Hause. Aber so giftig
werden wie die Haase und Rosenfeld und Cohn, seine Partei-
genossen, das kann er doch nicht, der alte Zehn-Gebote-Hoff-
mannz; dazu ist er ein viel zu ehrlicher deutscher Spießbürger.
Er ist mitunter geradezu verblüffend ehrlich. Selbst-
verständlich nicht, wenn er von Spartakus — „dies Kind,
kein Engel ist so rein“ — und den Unabhängigen spricht; das
kann man von ihm nicht verlangen. Wohl aber, wenn er als
ehemaliger Intimus die Mehrheitssozialisten schildert. Er
selber ist der alte Sozialdemokrat geblieben, der Rabauz, wie
sie es alle in unserer parlamentarischen Geschichte der letzten
anderthalb Menschenalter gewesen sind, — diese Leute, denen
einst Puttkamer mit dem Gesetz, später Bülow mit Bonmots
den Garaus machen wollte. Seit dem November 1918 sind
aber die Rollen vertauscht. RNun sitzen die Sozialdemokraten
oben auf der Regierungsbank und sehen sich gezwungen, mit
denselben „Gewaltmitteln“ den jetzigen Umsturz von links
(aus der Haase-Cohn-Rosenfeld-Ecke her) zu bekämpfen, die
sie früher stets als das verbrecherische Rüstzeug des Junker-
91