Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

§ 31. Die Organisationsgewalt und das Aemterbesetzungsrecht der Krone. 91 
gedehnt (Gesch. O. d. H. H. 8 30, Abg. H. 8S 19). Jedes der beiden Häuser kann die Gegenwart 
der Minister verlangen. (Art. 60 Abs. 2 V. U.) 
IV. Kapitel. 
Die Staatsbehörden. 
§ 51. Die Organisationsgewalt und das Aemterbesetzungsrecht der Krone. 
I. Der König bedarf zur Ausübung der ihm zustehenden Staatsgewalt einer Anzahl von Be- 
hörden, die in seinem Namen und auf Grund der ihnen vom Staatsoberhaupte ertheilten Er- 
mächtigung die staatlichen Geschäfte besorgen. Die Nothwendigkeit Behörden zu schaffen ist 
zunächst eine thatsächliche, weil das Staatsoberhaupt persönlich gar nicht in der Lage ist, selbst 
alle Handlungen vorzunehmen, die die Ausübung der Staatsgewalt erfordert. Die Noth- 
wendigkeit kann aber eine rechtliche sein, wenn durch Verfassung oder Gesetz der König bei Aus- 
übung der Staatsgewalt an die Mitwirkung gewisser Behörden wie z. B. der Minister gebunden 
oder wenn vorgeschrieben ist, daß er gewisse Theile der Staatsgewalt wie die sog. richterliche 
Gewalt nicht persönlich ausüben darf, sondern durch seinen Weisungen gegenüber selbstständige 
Behörden ausüben lassen muß. 
II. Das Recht Behörden zu schaffen und ihre Einrichtung und Zuständigkeit zu be- 
stimmen, die sog. Organisationsgewalt ist kein Bestandtheil der sog. gesetzgebenden Gewalt, 
da es sich dabei nicht um Rechtsvorschriften handelt, die sich an die Unterthanen wenden, sondern 
kann zur sog. vollziehenden Gewalt gerechnet werden, in Bezug auf welche nach Art. 45 V. U. 
der König zunächst an die Mitwirkung des Landtags nicht gebunden ist. Bei Ausübung der 
Organisationsgewalt ist jedoch der König in mannigfacher Beziehung beschränkt: 
1. Durch Reichsgesetz. Dies gilt namentlich hinsichtlich der Gerichtsorganisation. 
Art. 89 ff. V. U. hatte bestimmt: die Organisation der Gerichte erfolgt durch Gesetz; gleich- 
zeitig waren in den Art. 91 ff. gewisse Grundsätze bezüglich der Organisation der Gerichte, 
ihre Zuständigkeit u. s. w. aufgestellt. Gegenwärtig ist die Gerichtsverfassung einschließlich 
der Abgrenzung der Zuständigkeit der verschiedenen Gerichte und des von ihnen zu beob- 
achtenden Verfahrens im Wesentlichen durch die Reichsjustizgesetze geregelt; dem Landes- 
rechte ist in dieser Beziehung nur in geringem Maße, namentlich was die Errichtung der 
einzelnen Gerichte und Abgrenzung der Gerichtssprengel anlangt,, freier Spielraum gelassen. 
Soweit dies aber der Fall ist, können die betreffenden Anordnungen nicht durch königliche Ver- 
ordnung, sondern nach Maßgabe des Art. 88 V. U. nur durch Gesetz erfolgen. 
Die Abgrenzung der Zuständigkeit der Gerichte gegenüber den Verwaltungsbehörden ist 
nicht reichsgesetzlich geregelt, nach Art. 96 V.U. muß dieselbe aber für Preußen durch Gesetz 
festgestellt werden. 
2. Durch verfassungsgesetzliche Vorschrift. Abgesehen von den unter I. er- 
wähnten Vorschriften der Verfassungsurkunde enthalten auch die Art. 44 und 104 V. U. Be- 
schränkungen des freien Organisationsrechts der Krone. Indem nämlich Art. 44 bestimmt, daß 
alle Regierungsakte des Königs zu ihrer Gültigkeit eines Ministers bedürfen, ist hierdurch in- 
direkt das Bestehen eines Ministeriums vorgeschrieben. Streitig ist es nun, ob die Organisation 
der Ministerien und die Bestimmung ihrer Zuständigkeit durch Gesetz erfolgen muß. Die 
Frage ist zu verneinen, da die V. v. 27/10. 1810, durch welche die Neuorganisation der Mi- 
nisterien erfolgte, weder nach Form noch nach Inhalt ein Gesetz war, und kein späteres Gesetz 
  
1) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., 1, S. 422 ff. — Bornhak, 
Preuß. Staatsrecht, 1, S. 455 ff. — Schulze, das preuß. Staatsrecht, 2. Aufl., I, S. 238 ff. — 
G. Meyer, Artt. Behörden, Behördenorganisation in Stengel's Wörterbuch des Verw.-R. 
L, S. 153 ff.
	        
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