92 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. IV. Kapitel. 8 32.
für die Organisation der Ministerien die Form des Gesetzes vorgeschrieben hat. Auch dann
wenn durch Gesetz einem bestimmten Minister gewisse Funktionen übertragen sind, ist die Krone
nur insoweit beschränkt, als sie diese Funktionen nicht einer anderen Behörde übertragen kann;
dagegen ist sie nicht gehindert, damit einen andern Minister zu betrauen (Vgl. übrigens § 33).
Art. 104 V. U. hat ferner bestimmt, daß die Rechnungen über den Staatshaushalt
von der Oberrechnungskammer geprüft und festgestellt werden und in Abs. 3 ist die Feststellung
der Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer einem besonderen Gesetze über-
wiesen. Sonach beruht das Bestehen der Oberrechnungskammer auf verfassungsgesetzlicher Vor-
schrift, während die Einrichtung und die Befugnisse derselben in der Form des einfachen Gesetzes
erfolgen müssen.
3. Durch einfaches Gesetz ist die Organisationsgewalt der Krone in allen Fällen
beschränkt, in denen auf irgend einem Gebiete die Organisation von Behörden durch Gesetz er-
folgt ist, da in diesen Fällen eine Aenderung der Organisation wieder nur durch Gesetz erfolgen
kann, sofern nicht ausnahmsweise königliche Verordnung zugelassen ist (vgl. hannov. Kr. O. 8 25).
4. Eine indirekte Beschränkung der Organisationsgewalt der Krone ist endlich ge-
geben durch das Budgetrecht des Landtags insofern, als eine Behördenorganisation, zu welcher
vom Landtage zu bewilligende Geldmittel erforderlich sind, ohne solche Bewilligung nicht durch-
geführt werden kann. (Vgl. darüber § 72).
III. Das Aemterbesetzungsrecht als ein Bestandtheil der vollziehenden Gewalt steht
dem Könige allein zu (Art. 47 V. U., vgl. auch A.L. R. II 13 857). Bezüglich der Minister ist
dieser Grundsatz noch ausdrücklich in Art. 45 V. U. anerkannt. Selbstverständlich kann der
König dieses Recht nur nach Maßgabe der Gesetze ausüben. Darnach muß jede Ernennung
oder Entlassung eines Beamten von einem Minister gegengezeichnet sein; ferner kann der König
ein Amt, dessen Ausübung von gewissen gesetzlichen Voraussetzungen abhängig ist, nur solchen
Personen übertragen, die diesen Voraussetzungen entsprechen. Endlich liegt auch hier eine in-
direkte Beschränkung der Krone im Budgetrechte, insofern der König Aemter, mit welchen eine
etatsmäßige Besoldung verbunden ist, nur nach Maßgabe des Budgets besetzen kann.
IV. Als ein Bestandtheil der vollziehenden Gewalt erscheint endlich auch das sogen.
Oberaufsichtsrecht, das in der innigsten Verbindung mit dem Organisationsrechte steht
und dessen Inhalt die Kontrolle der Organe des Staats und der innerhalb derselben bestehenden
Korporationen durch den König ist 1). In der Verfassungsurkunde ist dasselbe nicht erwähnt;
es folgt aber von selber aus der Stellung des Königs als des Inhabers der gesammten Staats-
gewalt und ist auch, was die Oberaufsicht bezüglich der Gesellschaften und öffentlichen Anstalten
betrifft, im A.L. R. II, § 13 ausdrücklich aufgeführt.
§ 32. Der Staatsrath?). I. Im Publikandum v. 16/12. 1808 war die Schaffung
eines Staatsraths in Aussicht genommen, der ebenso wie der frühere Geheime Rath die höchste
verwaltende Kollegialbehörde sein und die sämmtlichen Minister und Abtheilungsvorstände in
sich vereinigen sollte. Vorerst wurde er durch den Ministerrath vertreten. Die V. v. 27/10.
1810 bestimmte sodann, daß der Staatsrath an der unmittelbaren Verwaltung keinen Antheil
haben soll und auf berathende Thätigkeit in Gesetzgebungssachen, wichtigen Angelegenheiten
der Verwaltung u. s. w. zu beschränken sei.
Auf Grund dieser Vorschrift trat der Staatsrath durch V. v. 20/3.1817 (G.S. S. 67)
ins Leben.
1) Vgl. über das Oberaufsichtsrecht im Allgemeinen Hänel, Deutsches Staatsrecht, I, S. 299 ff.
2) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., III, S. 70 ff. — Grotefend,
Lehrbuch des preuß. Verw.-Rechts, 1, S. 94 ff. — Bornhak, Preuß. Staatsrecht, II, S. 393 ff. —
Schulze, das preuß. Staatsrecht, 2. Aufl., I, 287 ff. — Stengel, Lehrbuch des Verwaltungsrechts
S. 75 ff. — Gneist, Art. „Staatsrath“ in Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts, II, S. 497 ff.