Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

94 Zweites Buch: Staat und Staatsministerium. IV. Kapitel. § 33. 
Vorbereitung der Sache zum Plenarvortrage als Nebenabtheilung theilzunehmen haben; 5. zwei 
oder mehreren anderen Mitgliedern des Staatsraths. 6 
Der Präsident hat für jede Sache die Hauptabtheilung zu bestimmen und dem Könige 
die für die engere Versammlung besonders zu ernennenden Mitglieder in Vorschlag zu bringen. 
Die einzelnen Sachen werden dem Staatsrathe vom König überwiesen, indem er für 
jeden Fall auf Antrag des Staatsministeriums Bestimmung darüber trifft, ob das Plenum 
oder die engere Versammlung ihr Gutachten abgeben soll. Das Plenum kann nur auf be- 
sonderem Befehl durch den Präsidenten des Staatsraths berufen werden. In der Versammlung 
führt der Staatssekretär das Protokoll, welches von sämmtlichen anwesenden Mitgliedern zu 
vollziehen ist. Die Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit gefaßt, bei Stimmengleichheit 
giebt die Stimme des Präsidenten den Ausschlag. Die Gutachten des Staatsraths hat der 
Präsident dem Könige zu unterbreiten. 
War schon durch diese Vorschriften der V. v. 6/1. 1848 die Stellung des Staatsraths 
wesentlich verändert worden, so machte sich noch dazu nach Erlaß der V. U. v. 31/1. 1850 die 
Meinung geltend, daß derselbe durch deren Vorschriften beseitigt sei. Obwohl später die Un- 
richtigkeit dieser Ansicht eingesehen und durch Erlaß v. 12/1. 1852 angeordnet wurde, daß der 
Staatsrath wieder in Kraft zu treten habe, auch auf Grund der Kab. O. vom 27/5. 1854 die 
Wiedereröffnung desselben stattfand, so entfaltete der preußische Staatsrath doch während der 
nächsten 30 Jahre keinerlei nennenswerthe Thätigkeit und fristete seine Existenz eigentlich nur da- 
durch, daß bis zur Einführung der Reichsjustizgesetze 1/10. 1879) nach dem G. v. 8/4. 1847 
§ 1 die Mitglieder des Gerichtshofs zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte aus den Staats- 
räthen genommen werden mußten. 
Erst im Jahre 1883 ist eine Wiederbelebung des Staatsraths erfolgt, indem der König 
eine Anzahl von Personen zu Mitgliedern des Staatsraths berufen und dem Kronprinzen den 
Vorsitz übertragen hat. Auf Grund einer neuen — nicht publizierten — Geschäftsordnung ist 
der Staatsrath auch bereits wiederholt in Berathung getreten. 
Um dem preußischen Staatsrath die richtige Stellung zu gewähren, wird es jedoch noth- 
wendig sein, denselben auf neuer Grundlage zu organisiren und insbesondere durch Gesetz so- 
wohl seine Zuständigkeit wie auch die Form seiner Thätigkeit festzustellen 7). 
8 33. Das Ministerium 2). I. Die Einrichtung der einzelnen Ministerien und die 
Stellung der Minister beruht gegenwärtig noch in der Hauptsache auf der V. v. 27/10. 1810 
(G. S. 1810 S. 3), während für die Bildung des Staatsministeriums (Ministerraths) die 
Kab. O. v. 3/6. 1814 (G. S. S. 40) maßgebend ist. Dazu kommen noch die Bestimmungen 
der V. U. Art. 44, 45, 60 u. 61, welche namentlich die Nothwendigkeit der ministeriellen 
Gegenzeichnung und der Verantwortlichkeit der Minister betreffen. 
Nach der V. v. 27/10. 1810 bestanden fünf Ministerien: für Aeußeres, Inneres, 
Finanzen, Justiz und Krieg. Durch spätere Verordnungen ist die Zahl der Ministerien ver- 
mehrt worden. Da auf die neuen Ministerien bisherige Zuständigkeiten der alten Ministerien 
übergingen, ist dadurch auch der Wirkungskreis dieser Ministerien geändert worden. Das 
  
1) Vgl. über diese Frage: Stengel, Organisation der preuß. Verwaltung S. 566 und den Aufsatz 
in Schmollers Jahrbuch 1883 S. 1021 ff. „Ueber den preuß. Staatsrath und seine Reaktivirung“. — 
Die ursprünglich dem Staatsrathe überwiesene Entscheidung über die Entlassung von Staatsbeamten ist 
durch die späteren Disciplinargesetze beseitigt; durch die anderweite Organisation des Gerichtshofs zur 
Entscheidung der Kompetenzkonflikte ist jetzt auch die Beziehung zwischen diesen Gerichtshof und den 
Staatsrath gelöst. 
2) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., II, S. 75 ff. — Schulze, das 
preuß. Staatsrecht, 2. Aufl., I, S. 241 ff. — Bornhak, Preuß. Staatsrecht, II, S. 379 ff. — 
Grotefend, Lehrbuch des preuß. Verwalt.-Rechts, I. S. 72 ff. — Brie, Art. „Staatsminister, 
Staatsministerium“ in Stengels Wörterbuch des Verwalt.-Rechts, II. S. 494 ff.
	        
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