Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

124 Zweites Buch: Staat und Staatsverfassung. IV. Kapitel. 8 36a. 
In Hessen-Nassau haben die Bürgermeister und deren gesetzliche Stellvertreter die 
Verwaltung der Ortspolizei, soweit dieselbe nicht auf Grund bestehender Gesetze in einzelnen 
Gemeinden und Bezirken einem besonderen Staatsbeamten übertragen ist. In der Stadt Orb 
ist deshalb für die Verwaltung der Ortspolizeigeschäfte an die Stelle des Magistrats der 
Bürgermeister getreten. Ebenso haben in den auf Grund des § 8 Abs. 1 kurh. G.O. v. 23/10. 
1834 gebildeten Bürgermeisterbezirken die Bürgermeister die Ortspolizei 7. 
8 36a. Der Stadtkreis Berlin 2). I. Die Organisation der Behörden der allgemeinen Landes- 
verwaltung in Berlin war schon früher eine eigenthümliche in der Weise, daß das Polizeipräsidium die 
Verwaltung der Orts= und Landespolizei in sich vereinigte, die Verwaltung des Volksschulwesens durch 
das Provinzialschulkollegium und die Verwaltung der evangelisch-kirchlichen Angelegenheiten durch das 
Konsistorium besorgt wurde. In Folge dessen hatte die Regierung in Potsdam, von welcher Berlin 
ressortirte, im Wesentlichen nur die Aufsicht auf die Kommunalangelegenheiten zu bethätigen (vgl. die 
Darlegung in den Motiven des Organisations-G. v. 26/7. 1880, Verh. d. Abg.-H. 14. Legisl.-P. 
1. Sess. 1879/80, Drucks. Nr. 62 St. 85). In kommunaler Beziehung gehörte dagegen die Stadt 
Berlin dem Provinzialverbande Brandenburg an, ohne in demselben irgend eine besondere Stellung 
einzunehmen. 
Gemäß 8 2 a. Pr.O. ist aber die Haupt= und Residenzstadt Berlin aus dem Kommunalverbande 
der Provinz Brandenburg ausgeschieden. In der ursprünglichen Fassung enthielt der § a. a. O. noch 
einen zweiten, durch Art. IV Abs. 3 d. Nov. v. 23/3. 1881 beseitigten Absatz, wonach die Bildung 
eines besonderen Kommunalverbandes aus der Haupt= und Residenzstadt Berlin und angrenzenden 
Gebieten, sowie die Regelung der Verfassung und Verwaltung derselben einem besonderen Gesetze vor- 
behalten blieb. Nachdem jedoch der Versuch, ein solches Gesetz zu Stande zu bringen, mißlungen war, 
wurde dieser Plan überhaupt aufgegeben und die bereits aus dem Provinzialverbande ausgeschiedene 
Stadt Berlin durch § 1 Org.-G., wiederholt in § 1 L.V.G., auch in Bezug auf die Staatsverwaltung 
vom Verwaltungsbezirk der Provinz Brandenburg getrennt und aus derselben ein besonderer Ver- 
waltungsbezirk gebildet, welcher in gewissem Sinne die Eigenschaften eines Stadtkreises, eines Regie- 
rungsbezirkes und einer Provinz in sich vereinigt. In den §8 34—40 Org.-G. wurde sodann die 
Organisation der Staatsbehörden in Berlin neu geordnet, im Wesentlichen dahin, daß der Oberpräsident 
der Provinz Brandenburg zugleich zum Oberpräsidenten von Berlin bestellt wurde und demselben die 
Aufsicht über die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten, sowie die Funktionen des Provinzialraths 
und Bezirksraths übertragen wurden, im Uebrigen aber an Stelle des Regierungspräsidenten regelmäßig 
der Polizeipräsident trat. Diese Bestimmungen sind dann in den §§ 41—47 L.V.G. wiederholt worden 
mit den durch die Schaffung des Bezirksausschusses erforderlichen Abänderungen. Ehe auf diese Vor- 
schriften im Einzelnen genauer eingegangen wird, ist nur hinsichtlich der kommunalen Angelegen- 
heiten des Stadtkreises Berlin zu bemerken, daß dieselben durch die nach den Vorschriften der St.O. 
von 1853 bestellten gemeindlichen Organe besorgt werden und daß in Bezug auf kommunale Rechte 
und Pflichten der Stadtkreis Berlin vielfach den Provinzen gleichgestellt ist. So ist z. B. in den 
§§ 1—3, § 18 Dot.G. v. 8/7. 1875, § 14 G. v. 12/3. 1881, Ausführung des Reichsviehseuchengesetzes 
und in anderen Gesetzen der Stadtkreis Berlin neben den Provinzen aufgeführt und wie eine Provinz 
behandelt. Auch einen besonderen Landarmenverband bildet Berlin. 
II. Die Organisation der Behörden der allgemeinen Landesverwaltung im 
Stadtkreise Berlin. Der Oberpräsident der Provinz Brandenburg ist zugleich Oberpräsident 
von Berlin. Ingleichen fungiren das Provinzial-Schulkollegium, das Medizinal- 
kollegium, die Generalkommission und die Direktion der Rentenbank für die Provinz 
Brandenburg auch für den Stadtkreis Berlin (L.V.G. § 41). Für die Verwaltung der indirekten 
Steuern besteht für die Provinz Brandenburg und die Stadt Berlin die dem Finanzministerium direkt 
untergebene Provinzialsteuerdirektion (A.E. v. 1/10. 1875, G. S. 1876 S. 167). 
Ein Regierungspräsident und eine Bezirksregierung bestehen in Berlin nicht. An Stelle des 
Regierungspräsidenten tritt theils der Oberpräsident, theils der Polizeipräsident. Der Ober- 
präsident führt nach § 42 L.V.G. an Stelle des Regierungspräsidenten die Aufsicht des Staates über 
die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten der Stadt Berlin. Außerdem sind auf ihn zufolge der auf 
Grund der in § 35 Abs. 1 Org.G. enthaltenen Ermächtigung ergangenen königl. V. v. 26/1. 1881 
verschiedene Zuständigkeiten der Regierungsabtheilung des Innern zu Potsdam übergegangen. Im 
1) Besondere Bestimmungen gelten für den Landkreis Frankfurt aM. (§8 30. 31. hess.-nass. Kr.O.) 
2) Stengel, die Organisation u. s. w. S. 351—356. — Brauchitsch, die neuen preuß. 
Verw.-Ges., 10. Aufl., I. S. 49—57.
	        
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