Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

172 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. I. Kapitel. 8 48. 
Während ein Privilegium positiv wirkt, indem es neues und zwar spezielles für einzelne 
Persouen oder Sachen geltendes Recht schafft, wirkt die Dispensation negativ, indem sie 
die Wirksamkeit eines in seiner objektiven Geltung hiedurch nicht weiter berührten Rechtssatzes 
für einen einzelnen bestimmten Thatbestand ausschließt. Die sog. Dispensationsgewalt ist eben- 
so, wie die Privilegienhoheit ein Bestandtheil der gesetzgebenden Gewalt und kann daher auf 
allen dem formellen Gesetze überwiesenen Gebieten nur mit Zustimmung der Volksvertretung 
ausgeübt werden; denn es ist selbstverständlich, daß nur diejenigen Faktoren, die den Rechts- 
satz gegeben haben, auch allein befugt sind, die Anwendbarkeit desselben für einen bestimmten 
Thatbestand auszuschließen. Dasselbe, was von der Dispensation gilt, gilt auch von der Sus- 
pension, d. h. der zeitweisen Aufhebung der Gesetze für gewisse Bezirke. Eine Ausnahme 
dieses Grundsatzes ist jedoch für die Dispensation wie für die Suspension dann gegeben, wenn 
der König oder eine Behörde durch Rechtssatz zur Dispensation oder Suspension von gesetz- 
lichen Vorschriften ermächtigt ist. So ist z. B. in Art. 111 V. U. zugelassen, nach näherer Be- 
stimmung des Gesetzes (G. v. 4/6. 1851) bestimmte Artikel der Verfassungs-Urkunde zeit= und 
distriktsweise außer Kraft zu setzen 1. (Vgl. § 93). 
8 48. Die Verordnungen#). I. Verordnungen sind allgemeine Anordnungen des Mo- 
narchen oder der Verwaltungsbehörden, die sich formell dadurch von den Gesetzen unterschei- 
den, daß, sie auch wenn sie vom Monarchen ausgehen, ohne Mitwirkung der Volksvertretung 
erlassen werden. Dem Inhalte nach sind die Verordnungen entweder Verwaltungsver- 
ordnungen oder Rechtsverordnungen. 
Verwaltungsverordnungen (Dienstanweisungen, Reglements u. s. w.) heißen diejenigen 
Verordnungen, welche vom Monarchen an die Behörden oder von den höheren Behörden 
gegenüber den ihnen untergebenen Verwaltungsorganen erlassen werden. Sie können sowohl 
die Organisation als die Thätigkeit der Verwaltungsbehörden zum Gegenstande haben. Da 
sie ein Ausfluß des Verhältnisses der Ueber= und Unterordnung, welches unter den Ver- 
waltungsorganen besteht, sind, so sind sie ohne spezielle gesetzliche Ermächtigung zulässig; 
das Recht zum Erlasse der Verwaltungsverordnungen folgt aus ihrer gesetzlichen bezw. 
verordnungsmäßigen Zuständigkeit. Die Verwaltungsverordnungen enthalten ebenso wie die 
Gesetze allgemeine Vorschriften; aber dieselben sind keine unmittelbar die Unterthanen bindende 
Rechtssätze, sondern haben nur Bedeutung innerhalb des Verwaltungsorganismus. Deshalb 
brauchen auch die Verwaltungsverordnungen nicht in der Form der Gesetze publicirt zu werden, 
es genügt, daß sie den betreffenden Behörden in irgend welcher Form zur Kenntniß gebracht 
werden ). 
  
1) Daß das Begnadigungsrecht nicht unter den Begriff der Dispensation fällt, und die 
Begnadigung kein Akt der Gesetzgebung ist, da sie das objektive Recht nicht ändert, sondern lediglich 
ein subjektives Recht des Staates betrifft, das ihm auf Grund der Gesetze erwachsen ist, hat in über- 
zeugender Weise Laband dargethan (vgl. Staatsrecht des deutschen Reichs, 2. Aufl., II, S. 479 ff. 
und Archiv für öffentl. Recht, VII, S. 169 ff.). Vom Begnadigungsrecht ist daher hier nicht die Rede, 
ogl. darüber § 37, V. 
2) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., I, S. 365. — Schulze, das 
preuß. Staatsrecht, 2. Aufl., II, S. 25 ff. — Bornhak, Preußisches Staatsrecht, I, S. 508 ff. — 
Bornhak, Artt. Verordnung,IInstruktion, Reglement in Stengel's Wörterbuch des Verw.-R., 
II, S. 339 f., 696 ff., I, S. 677. Vgl. im Uebrigen die Citate bei dem vorigen Paragraphen. 
3) In der Regel dienen zur Verkündigung der von den Behörden erlassenen Verwaltungsverord- 
nungen, aber auch der von denselben erlassenen Rechtsverordnungen die von den Centralbehörden her- 
ausgegebenen Amts= und Verordnungsblätter, nämlich a) das Justizministerialblatt (seit 1/1. 1839), 
b) das Ministerialblatt für die gesammte innere Verwaltung (seit 1/7. 1840), c) das Centralblatt der 
Abgaben-, Gewerbe= und Handelsgesetzgebung und Verwaltung (seit 1839), d) das Eisenbahnverord- 
nungsblatt (seit dem Jahre 1878), e) das Centralblatt für die gesammte Unterrichtsverwaltung (seit 1859). 
Demselben Zwecke dienen die Amtsblätter der Regierungen. Dieselben wurden gegründet 
durch V. v. 28/3. 1811 (G.S. S. 165), die V. v. 8/6. 1819 (G. S. S. 148) und Kab.O. v. 24/7. 1826 
(G. S. S. 1873) und A.E. v. 19/9. 1852 für Sigmaringen (G.S. S. 588). Was die neuen Provinzen
	        
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