180 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. 8 51.
einkünfte (ugl. darüber § 43), b) auf öffentliche Abgaben im Allgemeinen. In dieser Hinsicht
bestimmen die §§ 9 u. 10 des Gesetzes, daß wegen allgemeiner Anlagen und Abgaben (8§ 36,
41 V. v. 26/12. 1808, §8§ 78, 79 Th. II Tit. 14 A.L. R.) auf Grund der Behauptung, daß die
einzelne Forderung bereits früher getilgt oder verjährt sei, die Klage auf Erstattung des Ge-
zahlten angestellt werden kann, jedoch bei Verlust des Klagerechts nur binnen spätestens sechs
Monaten nach erfolgter Beitreibung oder geleisteter Zahlung. Ebenso findet der Rechtsweg
statt, wenn der Herangezogene behauptet, daß die geforderte Abgabe keine öffentliche Abgabe
sei, sondern auf einem aufgehobenen privatrechtlichen Fundamente, insbesondere einem früheren
gutsherrlichen, schutzherrlichen oder grundherrlichen Verhältnisse beruhe 1)2), ch auf die Stem-
pelsteuer (vgl. § 68), d) auf Kirchen-, Pfarr= und Schulabgaben. Nach § 15 des Ge-
fetzes ist der Rechtsweg zulässig in Beziehung auf die in Nr. 1 A. O. v. 19/6.1836 (G. S. S. 198)
aufgeführten Abgaben und Leistungen, welche für Kirchen und öffentliche Schulen oder für deren
Beamte auf Grund einer notorischen Orts-oder Bezirksverfassung#erhoben werden, desgleichen in
Beziehung auf Forderungen öffentlicher Schul= und Erziehungsanstalten an Schul= und Pen-
sionsgeld. In Beziehung auf solche Abgaben und Leistungen, welche auf einer allgemeinen ge-
setzlichen Verbindlichkeit, bezw. auf einer von der aufsichtführenden Regierung in Gemäßbeit
gesetzlicher Bestimmung angeordneten oder exekutorisch erklärten Umlage beruhen, findet jedoch
der Rechtsweg nur insoweit statt, als dies bei öffentlichen Abgaben der Fall ist. Diese Bestim-
mungen sind durch die Vorschriften des Zuständigkeitsgesetzes (§§ 18, 34, bezw. 8§ 45 ff.) inso-
ferne abgeändert worden, als bezüglich der Kommunalabgaben unbedingt, bezüglich der Schul-
lasten, sofern es sich um solche für der allgemeinen Schulpflicht dienende Anstalten handelt, an
Stelle des ordentlichen Rechtswegs das Verwaltungsstreitverfahren getreten ist.
8 51. Polizei und Staatspflege5). I. Der Begriff der Polizei. Früher wurde
überhaupt die staatliche Verwaltung, soweit sie nicht als Verwaltung der auswärtigen Ange-
legenheiten, des Krieges, der Rechtspflege, der Finanzen oder der kirchlichen Angelegenheiten
erschien, als Polizei bezeichnet und in zwei Haupttheile: die Sicherheitspolizei und die
Wohlfahrtspolizei zerlegt, je nachdem ihr Zweck die Abwehr der der Sicherheit der Ge-
sammtheit oder einzelner Staatsangehörigen drohenden Gefahren oder die Förderung des Ge-
meindewohls war. Ob bei Verfolgung dieser Zwecke die Polizeiorgane Zwang anwendeten
oder nicht, war an und für sich gleichgiltig. Da sich aber mit dem Begriffe der „Polizei“ stets
die Vorstellung des Zwanges verbindet, während nach einer schon im vorigen Jahrhundert zur
Geltung gelangten Ansicht der Staat kein Recht hat, seine Angehörigen zur Wohlfahrt zu
zwingen, erhob sich im Laufe der Zeit gegen die Aufstellung einer Wohlfahrtspolizei Wider-
spruch, der zur Folge hatte, daß der Begriff der Wohlfahrtspolizei durch den der Staatspflege
ersetzt wurde, als deren Aufgabe sich die Förderung der Wohlfahrt des Staatsganzen wie
mittelbar auch der einzelnen Staatsangehörigen ohne Anwendung von Zwang darstellt.
1) Vgl. A.L. R., II, 14 § 79, wornach der Rechtsweg unter den Kontribuenten stattfindet, wenn
Jemand bei Bestimmung seines Antheils über die Gebühr belastet zu sein behauptet.
2) Nach dem Einkommensteuer-G. v. 24/6. 1891 und dem Gewerbesteuer-G. v. 24/6. 1891 findet
beim Widerspruche des Steuerpflichtigen gegenüber der vom Staate geltend gemachten Steuerforderung
ein förmliches verwaltungsgerichtliches Verfahren statt (ogl. § 66a u. 67). Gemäß § 13 G.V.G. ist deshalb
der ordentliche Rechtsweg auf dem Gebiete des Steuerrechts insoweit beseitigt, soweit die Zuständigkeit
der Verwaltungsgerichte geht. Im Uebrigen ist es jedoch bei der Zulässigkeit des ordentlichen Rechts-
wegs geblieben.
3) Stengel, Lehrbuch des deutschen Verw.-Rechts S. 11 ff. und die dortigen Citate. — Rönne,
das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., I, S. 550 ff. (Rönne hält noch an dem alten Be-
griff der Polizei und der Scheidung der Polizei in Sicherheits= und Wohlfahrtspolizei fest.) — Schulze,
das preuß. Staatsrecht, 2. Aufl., II, S. 298 ff. — Bornhak, Preuß. Staatsrecht, III, S. 119 ff.
— Grotefend, Preuß. Verw.-Recht, 1, S. 27 ff.