Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

4 Erstes Buch: Geschichtliche Einleitung. I. Kapitel. 81. 
die Linie Ansbach gründete. Alle anderen Nachgeborenen sollten in Zukunft lediglich mit 
Gelddeputaten abgefunden werden. Alle Landestheilungen sollten für immer ausgeschlossen, 
alle Veräußerungen von Gebieten durchaus verboten sein. 
Ein weiteres wichtiges Ereigniß für die innere Staatsentwickelung war die Errichtung 
des Geheimen Rathes durch die Geheimrathsordnung vom 31. Dezember 1604. In dem 
Geheimen Rathe hatte von nun an der Kurfürst ein im Wesentlichen aus Berufsbeamten ge— 
bildetes Kollegium an der Seite, mit dem er die Staatsgeschäfte vom Mittelpunkte des Staats- 
wesens aus leiten und mit dessen Hilfe er den Einfluß der Stände auf die Regierung mehr 
und mehr zurückdrängen konnte. 
Während der Regierungszeit von Johann Sigismund (1608—1619), dessen Ueber- 
tritt zum reformirten Bekenntnisse (13. Dezbr. 1613) große Unzufriedenheit im Lande her- 
vorrief, kam der Jülich-Klevische Erbfolgestreit zum Austrag. Kurfürst Johann Sigis- 
mund beanspruchte für seine Gemahlin Anna, der Tochter der ältesten Schwester des letzten 
Herzogs Johann Wilhelm v. Jülich, den ganzen Länderbesitz des erloschenen Hauses; im 
Tantener Vergleich vom 12. November 1614, bestätigt durch den späteren Vergleich vom 
9. Septbr. 1666, einigte er sich jedoch mit dem anderen Prätendenten, dem Prinzen Wolf- 
gang Wilhelm von Pfalz-Neuburg (Sohn der ältesten noch lebenden Schwester des Herzogs 
Johann Wilhelm) dahin, daß die Herzogthümer Jülich und Berg an Pfalz-Neuburg, das 
Herzogthum Kleve, die Grafschaften Mark und Ravensberg an Brandenburg kamen 1). Hie- 
durch wurde der erste Grund zu den rheinisch-westfälischen Besitzungen des brandenburgischen 
Hauses gelegt. 
Am 28. August 1618 starb der letzte Herzog Albrecht Friedrich von Preußen. Auf 
Grund der Joachim II. ertheilten Mitbelehnung nahm Kurfürst Johann Sigismund das Her- 
zogthum Preußen unter polnischer Lehensherrlichkeit in Besitz. 
Die Besitzungen des Kurhauses Brandenburg bestanden nunmehr aus drei geographisch 
getrennten Ländermassen nämlich der Mark Brandenburg mit ihren Zugehörungen, den rheinisch- 
westfälischen Besitzungen (Kleve, Mark und Ravensberg) und dem Herzogthum Preußen. Alle 
diese Gebiete hatten ihre besonderen Verfassungen und autonomen Verwaltungen, nur im 
Landesherrn und seinem Geheimen Rathe fanden sie einen Mittelpunkt, von dem aus sie zu 
einem einheitlichen, freilich nur lose zusammengehaltenen Ganzen vereinigt wurden. 
Unter Georg Wilhelm (1619— 1640), in dessen Regierungszeit der dreißigjährige 
Krieg mit seinen Verwüstungen fiel, wurde die erste Grundlage eines stehenden branden- 
burgisch-preußischen Hecres in der Weise gelegt, daß die brandenburgischen Stände i. J. 1620 
in Erwägung, „daß die Defension und Rettung des Landes nicht bloß auf Landvolk gestellt 
werden könnte“, zunächst auf drei Monate die Mittel für 300 Mann zu Roß und 1000 Mann 
zu Fuß bewilligten und später diese Bewilligung wiederholt erneuerten. Anfänglich suchten 
sich die Stände auf das Kriegsvolk, das dem Landesherrn und dem Lande, also den Ständen 
zu schwören hatte und dessen Offiziere durch Uebereinkunft des Landesherrn und der Stände 
ernannt wurden, möglichsten Einfluß zu sichern. Allmählich tritt aber die Mitwirkung der 
Stände immer mehr zurück und seit dem Jahre 1631 kann das stehende Heer als eine dauernde 
Einrichtung in Brandenburg betrachtet werden. 
Im Uebrigen waren die politischen Verhältnisse Brandenburgs beim Tode von Georg 
Wilhelm die traurigsten, im Innern war der Landesherr ohne Autorität und Gewalt und 
nach außen war der Kurstaat ohne alles Ansehen. 
§ 2. Die Gründung der brandenburgisch-preußischen Monarchie?2). Der eigent- 
liche Gründer des Staates Brandenburg-Preußen ist Friedrich Wilhelm, der große Kur- 
1) Die Herrschaft Ravenstein wurde 1670 dem Hause Pfalz-Neuburg vertragsmäßig überlassen. 
2) H. Schulze, das preuß. Staatsrecht. 2. Aufl. I. S. 44—53. — C. Bornhak, Preuß. 
Staatsrecht I. Bd. S. 17—24. — Leopold v. Orlich, Gesch. des preuß. Staats im XVII. Jahrh. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.