194 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. § 54.
oder eine in direkte. Sie ist direkt, wenn sie sich auf die Verordnung als solche bezieht, ganz
abgesehen von einem einzelnen Falle, in welchem sie etwa zur Anwendung kommen soll.
Diese direkte Kontrolle kann nur ausgeübt werden durch diejenigen Behörden, welche
zur Aufhebung einer Verordnung befugt sind. Die direkte Kontrolle erstreckt sich sowohl auf
die Rechtsgültigkeit, wie auf die Zweckmäßigkeit der Verordnung.
Die indirekte Kontrolle liegt dann vor, wenn aus Anlaß der Anwendung einer
Polizeiverordnung im einzelnen Falle die Vorfrage zu prüfen ist, ob die Verordnung rechts-
gültig erlassen ist, bezw. ob sie dem öffentlichen Interesse entspricht. Die indirekte Kontrolle
ist eine dreifache: 1. durch den Strafrichter, 2. durch den Verwaltungsrichter, 3. durch die Ver-
waltungsbehörde.
1. Die Kontrolledes Strafrichters. Dieselbe erstreckt sich lediglich auf die Rechts-
gültigkeit der Verordnung, nicht aber auf deren Zweckmäßigkeit, wie dies auch in § 17 des G.
v. 11/3. 1850 ausdrücklich hervorgehoben worden ist, und hat selbstverständlich immer nur un-
mittelbare Wirkung für den konkreten, der Entscheidung unterliegenden Fall, kann aber nie-
mals die direkte Außerkraftsetzung der Verordnung zur Folge haben.
Die Prüfung des Strafrichters hat sich zu erstrecken: a) auf die Rechtsgültigkeit des die
Delegation enthaltenden Gesetzes innerhalb der nach Reichs= oder Landesrecht (vgl. Art. 106
V. U.) demrichterlichen Prüfungsrecht gesteckten Schranken; b) auf die Innehaltung der Grenzen
der Delegation. Dabei ist festzustellen, ob die Polizei-Verordnung von der betr. Behörde in
Ausübung der Polizeigewalt erlassen wurde und ob von der Behörde ihre sachliche Zuständig-
keit eingehalten worden ist; ch auf die Beobachtung der vom Gesetze vorgeschriebenen Förmlich-
keiten (Zustimmung des Selbstverwaltungskörpers u. s. w.) und die gehörige Publikation.
2. Die Kontrolle des Verwaltungsrichters tritt ein, wenn eine auf Grund einer
Verordnung erlassene polizeiliche Verfügung mittels der Verwaltungsklage angefochten wird.
Diese Kontrolle ist ebenfalls eine mittelbare und gelten bezüglich derselben die gleichen Grund-
sätze wie bezüglich der durch den Polizei-Strafrichter ausgeübten Kontrolle. Vgl. im Uebri-
gen § 54.
8 3. Die Kontrolleder Verwaltungsbehörden kann eintreten: a) wenn auf Grund
einer Polizeiverordnung eine polizeiliche Verfügung erlassen, bezw. mit Zwang zur Durch-
führung gebracht werden soll; in einem solchen Falle muß die betr. Behörde prüfen, ob die
Polizei-Verordnung rechtsgültig ist; b) wenn eine polizeiliche Verfügung auf dem Wege der
Beschwerde als ungültig oder unzweckmäßig angefochten wird; in diesem Falle hat die Be-
schwerdebehörde die Vorfrage zu untersuchen, ob die Verordnung auf Grund deren die Ver-
fügung erlassen wurde, formell und materiell als gültig zu betrachten ist. Ist die Beschwerde-
behörde gesetzlich zur Außerkraftsetzung der Polizei-Verordnung befugt, so braucht sie sich nicht
darauf zu beschränken, die polizeiliche Verfügung wegen Ungültigkeit der Verordnung aufzu-
heben, sondern sie kann die Verordnung selbst außer Kraft setzen.
§54. Die polizeilichen Verfügungen 1). I. Polizeiliche Verfügungen sind Verfügungen,
welche die Behörden in Ausübung der ihnen übertragenen Polizeigewalt erlassen, also solche,
durch welche zum Zwecke der Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung, sowie
der Abwendung der dem Publikum oder einzelnen Mitgliedern desselben drohenden Gefahren
an die Amtsuntergebenen Gebote oder Verbote gerichtet werden. Nach der Praxis des Ober-
verwaltungs-Gerichts sind auch die Bescheide der Polizeibehörden zu den polizeilichen Ver-
fügungen zu rechnen, durch welche die nach den Gesetzen zu gewissen Handlungen oder Thätig-
1) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., I, S. 508 ff., 568 ff. — Born-
hak, Preuß. Staatsrecht, III, S. 134 ff. — Stengel, die Organisation u. s. w. S. 467 ff. — Parey,
die neuesten Verw.-Org.-Ges., I, Abth. S. 77 ff. — Rosin, Art. Polzeiliche Verfügungen in
Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts, II, S. 269 ff. — Grotefend, Preuß. Verw.-R., I, S. 295 ff.