Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

196 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. 8 54. 
III. Gegen Verfügungen der Orts= und Kreispolizeibehörden läßt 8127 L. V. G. 
die Beschwerde zu, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich anders bestimmt und zwar a) gegen die 
Verfügungen der Ortspolizeibehörden auf dem Lande oder einer zu einem Landkreise gehörigen 
Stadt, deren Einwohnerzahl bis zu 10000 Einwohner beträgt, an den Landrath und gegen 
dessen Bescheid an den Regierungspräsidenten; b) gegen die Verfügungen der Ortspolizeibehörden 
eines Stadtkreises mit Ausnahme von Berlin, einer zu einem Landkreise gehörigen Stadt mit 
mehr als 10000 Einwohner oder des Landraths an den Regierungspräsidenten und gegen 
dessen Bescheid an den Oberpräsidenten; c) gegen ortspolizeiliche Verfügungen in Berlin an 
den Oberpräsidenten. 
Ist in dieser Weise der Beschwerdeweg erschöpft, so findet gegen den in letzter Instanz 
ergangenen Bescheid des Regierungspräsidenten, bezw. des Oberpräsidenten die Klage beim 
Oberverwaltungsgerichte statt. 
Während die nach Abs. 1 § 127 zulässige Beschwerde sich auf alle möglichen Gründe 
und insbesondere auch darauf stützen kann, daß der Beschwerdeführer durch die Verfügung in 
seinen Interessen berührt werde, ist die Zulässigkeit der Klage insoferne eingeschränkt, als sie 
gemäß Absatz 3 § 117 nur darauf gestützt werden kann: 
1. daß der angefochtene Bescheid durch Nichtanwendung oder unrichtige Anwendung des 
bestehenden Rechts, insbesondere auch der von den Behörden innerhalb ihrer Zuständigkeit er- 
lassenen Verordnungen, den Kläger in seinen Rechten verletze; 
2. daß die thatsächlichen Voraussetzungen nicht vorhanden seien, welche die Polizeibe- 
hörde zum Erlasse der Verfügung berechtigt haben würden. 
Nach Vorschrift des Abs. 4 § 127 kann sich die Prüfung der Gesetzmäßigkeit der ange- 
fochtenen polizeilichen Verfügung auch auf diejenigen Fälle erstrecken, in welchen bisher nach 
§ 2 des G. v. 11/5. 1842 der ordentliche Rechtsweg zulässig war, d. h. alle diejenigen Fälle, 
in welchen derjenige, welchem durch eine polizeiliche Verfügung eine Verpflichtung auferlegt 
wird, die Befreiung von derselben auf Grund einer besonderen gesetzlichen Vorschrift oder eines 
speziellen Rechtstitels behauptet. 
Der Begriff der polizeilichen Verfügungen ist bereits oben in eingehender Weise erörtert 
worden. Zu dem dort Gesagten mag nur noch hinzugefügt werden, daß die polizeiliche Ver- 
fügung von der Polizeibehörde, gegen welche sich die Beschwerde richtet, erlassen sein muß, 
gleichgültig ist es dabei, ob die Behörde aus eigenem Antriebe oder auf Ermächtigung oder 
Anweisung einer vorgesetzten Behörde gehandelt hat (O. V.G. E. Bd. V S. 358). Hat da- 
gegen die Behörde nur den Auftrag oder die Requisition einer andern übermittelt, so liegt keine 
Verfügung der übermittelnden Behörde, sondern lediglich eine anfechtbare Verfügung der 
requirirenden Behörde vor (O. V.G. E. Bd. VI S. 355), und es muß also die Beschwerde 
gegen die letztere gerichtet werden. 
Welche Behörde als Ortspolizeibehörde zu betrachten ist, ergiebt sich aus § 36. 
In Berlin verwaltet der Polizeipräsident die Ortspolizei — abgesehen von der städtischen 
Organen überlassenen Straßenpolizei —; gleichzeitig ist er aber auch Landespolizeibehörde. 
Bei den von dem Polizeipräsidenten erlassenen Verfügungen ist daher stets zuzusehen, ob die- 
selben ortspolizeilichen oder landespolizeilichen Charakter an sich tragen. Im ersteren Falle 
findet gemäß §§ 127 und 128 entweder Beschwerde oder Klage gegen dieselbe statt, im andern 
Falle lediglich Beschwerde nach Maßgabe des noch zu besprechenden § 130 l.c. 
Zur Einlegung der Beschwerde, bezw. Klage gegen eine polizeiliche Verfügung ist zu- 
nächst derjenige befugt, an den die Verfügung gerichtet ist, sodann aber auch jeder Dritte, dessen 
Person oder Vermögen durch die Verfügung betroffen wird, nicht aber Jedermann, welcher 
etwa die Verfügung objektiv für ungerechtfertigt hält. Eine Popularklage, bezw. -Beschwerde 
ist ausgeschlossen. Deshalb ist auch im § 127 Abs. 3 N. 1 ausdrücklich verlangt, daß der 
Kläger „in seinen Rechten“ sich verletzt erachten müsse.
	        
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