6 Erstes Buch: Geschichtliche Einleitung. II. Kapitel. 83.
zu bewegen, an deren Stelle im Laufe der Zeit in verschiedenen Gebietstheilen, namentlich in
den Städten, die Accise, eine Konsumtionssteuer, trat.
Für die Heeresverwaltung war in jeder Provinz ein Oberkommissär aufgestellt, der
die Kontributionen ausgehändigt erhielt. Nach Einführung der Accise wurden in den Pro—
vinzen Kriegskommissariate, kollegialische Behörden geschaffen, auf welche fast in allen Pro—
vinzen die Verwaltung der Kriegssteuer überging, und welche dann neben der Steuerver—
waltung nach und nach einen Zweig der Landespolizei nach dem andern an sich zogen und
hierdurch die Zuständigkeit der ständischen Behörden, der sog. Regierungen mehr und mehr
beschränkten. An der Spitze des Kriegskommissariats stand das Generalkommissariat als
oberste Intendantur- und Steuerbehörde des ganzen Staates. Auf diese Weise überzog ein
einheitliches Netz von landesherrlichen Steuer- und Verwaltungsbehörden das ganze Land.
Das zuletzt auf 20000 Mann gebrachte stehende Heer machte es dem großen Kurfürsten
möglich, eine zielbewußte auswärtige Politik zu verfolgen, die Schweden bei Rathenau und
Fehrbellin zu besiegen und Vorpommern, Stettin, Stralsund und Greifswald zu erobern.
Allerdings mußte er im Frieden von St. Germain an Laye (29. Juni 1679) seine Eroberun—
gen wieder herausgeben und sich mit einer geringen Entschädigungssumme begnügen, die
Waffenthaten des brandenburgischen Heeres waren aber trotzdem für die politische Macht-
stellung des Staates von der größten Bedeutung.
Hervorzuheben ist endlich, daß sich der protestantische Charakter des brandenburg-
preußischen Staates, wie es auch nicht anders möglich war, mehr und mehr in der Weise
geltend machte, daß dieser Staat an Stelle Sachsens allmählich die protestantische Vormacht
im Reiche wurde. Dennoch wurde gerade unter dem großen Kurfürsten der Grundsatz religiöser
Toleranz gegen andere Konfessionen herrschend ½).
II. Kapitel.
Preußen im 18. Jahrhundert.
§ 53. Das Königreich Preußen unter Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I.2)
Kurfürst Friedrich III. als König Friedrich I. (1688—1713) erweiterte zunächst das
Staatsgebiet durch einige Erwerbungen; von Kursachsen erwarb er die Erbvogtei über Stadt
und Stift Quedlinburg, die Reichsvogtei über Nordhausen und das Amt Petersberg, vom
Grafen von Solms-Braunfels die Grafschaft Tecklenburg und aus der oranischen Erbschaft
die Grafschaften Mörs und Lingen (1702) und das souveräne Fürstenthum Neuenburg mit
der Grafschaft Valendis in der Schweiz (1707). Neuenburg wurde in Personalunion mit der
Krone Preußen vereinigt. Mit dem Hause Hohenzollern in Schwaben schloß er einen Erb-
1) In seinem Testamente vom 26. Januar 1686 hatte der große Kurfürst seine jüngeren Söhne
mit einzelnen Fürstenthümern ausgestattet. Man hat ihm deshalb den Vorwurf gemacht, er habe unter
dem Einflusse seiner zweiten Frau das Werk seines Lebens, die Einheit des Staates selbst wieder zer-
stören wollen. Das Testament ist jedoch nicht zur Ausführung gelangt; die jüngeren Söhne wurden
anderweitig, namentlich durch einen größeren Güterkomplex, die Herrschaft Schwedt, abgefunden. Es
kann daher auch die Frage auf sich beruhen, ob der große Kurfürst wirklich bloß erbliche Statthalter-=
schaften zur Apanagirung der jüngere Söhne begründen wollte, die wesentlichen Rechte der Landeshoheit
aber in den betreffenden Gebieten dem ältesten Sohne als Kurfürsten verbleiben sollten. Vgl. Schulze
a. a. O. S. 53.
2) H. Schulze, das Preuß. Staatsrecht, 2. Aufl. I. S. 53—67. — C. Bornhak, Preuß.
Staatsrecht, I. S. 22—29. — J. G. Droysen, Gesch. der preuß. Politik, IV. Th. 1 u. 2. Abth. —
F. Förster, Friedrich Wilhelm I., König von Preußen, Bd. I—III. 1834/35. — Isaacsohn, Gesch.
des preuß. Beamtenthums, Bd. III.