206 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. 8 55.
ung der Steuerpflichtigen. Es kann jedoch dem Steuerpflichtigen von Amts wegen oder auf
Antrag Gelegenheit zur persönlichen Verhandlung über den Gegenstand der Beschwerde gewäh—
ren. Bei seiner Entscheidung ist es an diejenigen Gründe nicht gebunden, welche zur Recht—
fertigung der gestellten Anträge geltend gemacht worden sind. Erachtet das Oberverwaltungs-
gericht die Beschwerde für begründet, so kann es die Angelegenheit zur anderweiten Entscheidung
an die Berufungskommission zurückgeben oder selbst die Steuerfestsetzung berichtigen. Im erste-
ren Falle sind die von dem Gerichtshofe über die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen
Vorschriften gegebenen Weisungen zu befolgen.
Ueber Beschwerden, welche das Verfahren des Vorsitzenden der Berufungskommission
aus Anlaß der nach § 44 eingereichten Beschwerden betreffen, beschließt das Oberverwaltungs-
ericht.
zerich Im Uebrigen finden auf das Verfahren zum Zwecke der Entscheidung über die Be—
schwerden (§ 44) die über das Verwaltungsstreitverfahren auf Klagen von dem Oberverwalt-
ungsgericht bestehenden gesetzlichen Bestimmungen mit der Maßgabe sinngemäße Anwendung,
daß die Erhebung eines Pauschquantums auch dann stattfindet, wenn die Entscheidung ohne
vorgängige mündliche Verhandlung erfolgt ist und daß ein Anspruch auf Ersatz der Anwalts-
gebühren nicht stattfindet. (Vgl. auch § 36 des Ergänzungssteuergesetzes v. 14/7. 1893).
In § 37 des Gewerbesteuergesetzes ist ebenfalls die Beschwerde an das Oberver-
waltungsgericht gegen die Entscheidung der Bezirksregierung über die Berufung zugelassen,
welche gegen die Entscheidung des Steuerausschusses hinsichtlich der Steuerveranlagung er-
griffen werden kann. Die Beschwerde muß binnen einer Ausschlußfrist von 4 Wochen ergriffen
und kann nur auf diejenigen Gründe gestützt werden, welche in § 44 des Einkommensteuer-
gesetzes (s. oben) aufgeführt sind. Auch im Uebrigen finden die Vorschriften des Einkommen-
steuergesetzes 88 45—49 entsprechend Anwendung.
Im Anschlusse an diese Steuergesetze ist das G. v. 26/3. 1883 zur Abänderung der
§§ 26—30 des Verw.-Gerichts-Gesetzes vom s 180 ergangen, wonach der zur Ent-
scheidung über Beschwerden in Staatssteuersachen berufene Senat des Oberverwaltungsgerichts
(Steuersenat) auf Beschluß des Staatsministeriums in Kammern getheilt werden kann, die bei
Theilnahme von wenigstens drei Mitgliedern beschlußfähig sind (Art. 1 u. 2). Beschwerden, bei
welchen es sich um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung handelt, können vom Senats-
präsidenten der Entscheidung des Steuersenats vorbehalten oder von der zuständigen Kammer
diesem Senate zur Entscheidung überwiesen werden (Art. 3). Will eine Kammer in einer Rechts-
frage von einer früheren Entscheidung einer anderen Kammer oder eines Senates oder des Ple-
nums abweichen, so hat sie die Entscheidung der Sache dem Steuersenate zu überweisen. Sind
mehrere Steuerserate gebildet und will ein Steuersenat von der Entscheidung eines anderen
Steuersenates oder einer Kammer eines solchen oder der vereinigten Steuersenate abweichen,
so bedarf es der Entscheidung der vereinigten Steuersenate. In allen Fällen entscheiden der
Steuersenat oder die vereinigten Steuersenate in der Sache selbst. Zur Fassung dieser Ent-
scheidungen ist, wenn der Steuersenat aus mehr als sieben Mitgliedern besteht, oder wenn die
vereinigten Steuersenate zu beschließen haben, die Theilnahme von wenigstens zwei Dritteln
aller Mitglieder erforderlich (Art. 4—6). Im Uebrigen finden die Bestimmungen des § 28
des gedachten Gesetzes, sowie des § 29 desselben in der Fassung v. 27/5.1888 mit der Maß-
gabe Anwendung, daß die Entscheidungen sowohl der Kammern als auch der vereinigten
Stenersenate als Senatsentscheidungen in Sinne dieses Gesetzes gelten.
Was im Uebrigen (die Zulässigkeit) des Rechtsweges in Bezug auf öffentlich-rechtliche
Streitigkeiten anlangt, so gilt jetzt der Grundsatz, daß in allen öffentlich-rechtlichen
Streitigkeiten, in welchen die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gesetz-
lich ausgesprochen ist, hierdurch von selbst der Rechtsweg ausgeschlossen er-