208 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. § 55.
fessoren der juristischen Fakultäten können zugleich etatsmäßige Richter und Richter zugleich
Professoren einer juristischen Fakultät sein (Art. 15 Nr. 3 G. v. 26/8. 1851).
Die Ernennung der erforderlichen Subaltern= und Unterbeamten des Oberverwaltungs-
gerichts erfolgt, insoweit dieselbe nicht durch das nach V.G.G. § 30 zulässige Geschäftsregu-
lativ dem Präsidenten überwiesen ist, durch das Staatsministerium.
Die Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts nehmen namentlich hinsichtlich der Dis-
ciplin die Stellung von Mitgliedern eines obersten Gerichtshofes ein. Deshalb unterliegen
die Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts ebenso wie die Mitglieder des Reichsgerichts
(G.V.G. §§ 128— 131), abgesehen von zwei Fällen, keinem Disciplinarverfahren (V. G.G.
§§ 20—25). Diese zwei Fälle sind folgende:
1. Ist ein Mitglied zu einer Strafe wegen einer entehrenden Handlung oder zu einer
Freiheitsstrafe von länger als einjähriger Dauer rechtskräftig verurtheilt, so kann es durch
Plenarbeschluß des Oberverwaltungsgerichts seines Amtes und Gehaltes für verlustig erklärt
werden. Vorläufige Enthebung vom Amte kann ausgesprochen werden, wenn gegen ein Mit-
glied das Hauptverfahren wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens eröffnet ist; sie tritt
von Rechts wegen ein, wenn Untersuchungshaft verhängt ist, auf die Dauer derselben; in beiden
Fällen wird das Recht auf Genuß des Gehaltes nicht berührt.
2. Wird ein Mitglied durch körperliche Gebrechen oder durch Schwäche seiner geistigen
oder körperlichen Kräfte zur Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig, so wird die
Versetzung in den Ruhestand durch Plenarbeschluß des Oberverwaltungsgerichts ausgesprochen,
sofern das betr. Mitglied trotz der durch den Präsidenten an ihn gerichteten Aufforderung nicht
selbst diese Versetzung beantragt.
Die beim Oberverwaltungsgericht angestellten Subaltern= und Unterbeamten unterliegen
der Disciplin des Präsidenten, welcher dieselben Befugnisse gegenüber diesen Beamten ausübt,
welche nach dem Disciplin. G. v. 21/7. 1852 den Ministern in Ansehung der ihnen unterge-
ordneten Beamten zustehen (V.V.G. § 30a). Das Oberverwaltungsgericht kann auf Beschluß
des Staatsministeriums in Senate eingetheilt werden (V. G.G. § 26). Ist dies geschehen, so
bezeichnet das Präsidium, bestehend aus dem Präsidenten, dem Senatspräsidenten und dem
ältesten Mitgliede, bei Beginn des Geschäftsjahres und mindestens auf die Dauer desselben
für jeden Senat die ständigen Mitglieder und deren Vertreter. In gleicher Weise erfolgt nach
Maßgabe des hierfür erlassenen Regulativs die Vertheilung der Geschäfte unter die Senate.
Was den Geschäftsgang anlangt, so wird der Vorsitz im Plenum und in demjenigen
Senate, welchem er sich anschließt, vom Präsidenten geführt, in den anderen Senaten führt
ein Senatspräsident den Vorsitz (V.G.G. § 27). Zur Fassung giltiger Beschlüsse ist die
Theilnahme von mindestens fünf Mitgliedern erforderlich (V.G.G. § 28, vgl. dazu G.V.G.
8 194 Abs. 1).
Zur Wahrung der Rechtseinheit und im Interesse der Gleichförmigkeit der in letzter In-
stanz ergehenden Entscheidungen schreibt V.G.G. § 29, bezw. G. v. 27/5. 1888 (vgl. G.V.G.
8 137) vor, daß wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von einer früheren Entscheidung eines
anderen Senats oder des Plenums abweichen will, über die streitige Rechtsfrage die Entscheidung
des Plenums einzuholen ist, welche in allen Fällen ohne vorgängige mündliche Verhandlung
erfolgt. Vor der Entscheidung des Plenums ist jedoch den von den Ressortministern zur Wahr-
nehmung des öffentlichen Interesses bestellten Kommissaren Gelegenheit zu geben, sich schrift-
lich über die zur Entscheidung stehende Rechtsfrage zu äußern. Die Entscheidung des Plenums
ist in der zu entscheidenden Sache bindend. Soweit die Entscheidung der Sache eine vorgängige
mündliche Verhandlung erfordert, erfolgt dieselbe durch den erkennenden Senat auf Grund
einer erneuten mündlichen Verhandlung, zu welcher die Parteien unter Mittheilung der er-
gangenen Entscheidung der Rechtsfrage zu laden sind. Zur Fassung von Plenarentscheidungen
ist die Theilnahme von wenigstens zwei Dritteln aller Mitglieder erforderlich. Soweit der Ge-