Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 56. Das Beschlußverfahren und die Verwaltungsbeschwerden. 223 
Was nun die Angelegenheiten anlangt, in denen das Beschlußverfahren vorgeschrieben, 
bezw. zulässig ist, so sind dies zunächst diejenigen Fälle, in denen gegen die Verfügung oder 
den Beschluß einer Verwaltungsbehörde die Beschwerde zulässig ist. In 8 50 L. V. G. heißt 
es in dieser Beziehung: „Das Gesetz bestimmt, in welcher Weise Verfügungen (Bescheide, 
Beschlüsse) in Verwaltungssachen angefochten werden können. Zur ersten Anfechtung dienen 
in der Regel die Beschwerde oder die Klage im Verwaltungs-Streitverfahren. Die Beschwerde 
ist ausgeschlossen, soweit das Verwaltungs-Streitverfahren zugelassen ist, vorbehaltlich ab— 
weichender besonderer Bestimmungen des Gesetzes.“ Im Uebrigen findet das Beschlußver— 
fahren in solchen Fällen statt, in denen es sich um die Entscheidung in Sachen handelt, in 
denen sich mehrere Personen mit entgegengesetzten Interessen gegenüber stehen, ferner bei Ge— 
nehmigung von Beschlüssen kommunaler Organe, Ertheilung von Konzessionen u. s. w. Nicht 
selten ist die Beschlußfassung der Beschlußbehörden eine lediglich vorläufige in der Weise, daß 
gegen den Beschluß die Verwaltungsklage, bezw. Antrag auf mündliche Verhandlung im 
Streitverfahren oder auch der ordentliche Rechtsweg zulässig ist 0. 
II. Anlangend das Beschlußverfahren selbst, so ist die Beschlußfassung der Beschluß- 
behörden eine kollegiale und erfolgt nach Stimmenmehrheit; im Provinzialrath giebt jedoch 
die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. An den Verhandlungen der Behörde können 
unter Zustimmung des Kollegiums technische, Staats= oder Kommunalbeamten theilnehmen. 
Der Vorsitzende der Beschlußbehörde hat zunächst die formelle Leitung der Geschäfte 
und die Vertretung des Kollegiums nach außen. Derselbe hat aber auch das Recht, in Fällen, 
welche keinen Aufschub zulassen, oder in welchen das Sach= und Rechtsverhältniß klar liegt 
und die Zustimmung des Kollegiums nicht im Gesetze ausdrücklich vorgeschrieben ist — was 
z. B. bei Abänderung von durch Beschwerde angefochtenen Beschlüssen des Kreis-(Stadt-) Aus- 
schusses und des Bezirksausschusses zutrifft, — Namens der Behörde Verfügungen zu erlassen 
und Bescheide zu ertheilen, welche endgültig werden, wenn nicht die Betheiligten binnen zwei 
Wochen die Entscheidung des Kollegiums verlangen oder ein Rechtsmittel einlegen. 
Die Beschlußfassung erfolgt auf Grund der Akten, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich 
mündliche Verhandlung vorschreibt. Die Behörden sind aber befugt, auch in anderen Sachen 
mündliche Verhandlung eintreten zu lassen. In Betreff der mündlichen Verhandlung finden 
dann die für das Verwaltungsstreitverfahren gegebenen Vorschriften (L.V.G. 8§8§ 71 ff.) sinn- 
gemäße Anwendung, namentlich auch was die Erhebung und Würdigung des Beweises betrifft. 
Zeugnißzwang greift auch in Beschlußsachen Platz. Die Beschlußbehörden sind natürlich 
keine unabhängigen Gerichte; wohl aber besitzen sie eine gewisse Selbstständigkeit, insofern sie 
bei Erledigung der ihnen übertragenen Beschlußsachen hinsichtlich des Meritorischen ihrer Ent- 
scheidungen an die Weisungen vorgesetzter Behörden nicht gebunden sind (vgl. Mot. zu § 34 
d. Entw. d. Org.G. bei Stengel, Organisation, S. 378, Nr. 1). Dieser Stellung entspricht 
es auch, daß in §§ 115, 116 L.V.G. den Bestimmungen über die Ausschließung und Ab- 
lehnung von Gerichtspersonen analoge Vorschriften gegeben sind, nach welchen einzelne Mit- 
glieder der Behörde unter gewissen Voraussetzungen z. B. wegen Verwandtschaft oder Ver- 
schwägerung mit den Betheiligten von der Berathung und Beschlußfassung ausgeschlossen sind. 
Ebenso muß, wenn in einer Angelegenheit, in welcher der Kreis-(Stadt-)Ausschuß zu 
entscheiden hat, die betreffende Kreiskorporation oder Stadtgemeinde (mit ihren fiskalischen 
Interessen) betheiligt ist, die Beschlußfassung einem anderen Kreis-(Stadt-) Ausschuß durch die 
vorgesetzte Behörde übertragen werden (L.V.G. 59). 
Die Zuständigkeit der Beschlußbehörden im einzelnen Falle bemißt sich nach denselben 
Regeln wie die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (forum rei sitae, korum domicilü u. s. w.) 
Die im Beschlußverfahren ergangenen Entscheidungen werden zwar in der Regel nicht 
  
1) Vgl. die Zusammenstellung bei Stengel, Die Organisation u. s. w. 88 56 B, 57 B, 58 B.
	        
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