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Wochen mitzutheilen. Eine vorläufige Vollstreckung des mit der Beschwerde angefochtenen Be-
schlusses ist in diesen Fällen ausgeschlossen.
Die Anbringung der Beschwerde hat nämlich nach § 53 L.V.G. sofern die Gesetze nicht
Anderes vorschreiben, aufschiebende Wirkung. Verfügungen, Bescheide und Beschlüsse können
jedoch trotz der Anfechtung durch Beschwerde zur Ausführung gebracht werden, sofern die Aus-
führung nach dem Ermessen der Behörde ohne Nachtheil für das Gemeinwesen nicht ausgesetzt
bleiben kann. Eine Ausnahme besteht nur hinsichtlich der Haftstrafen, welche an Stelle einer
zum Zwecke der zwangsweisen Durchführung einer Verwaltungsanordnung verhängten Geld-
strafe festgesetzt sind. Dieselben dürfen vor ergangener endgültiger Beschlußfassung oder rechts-
kräftiger Entscheidung auf das eingelegte Rechtsmittel, bezw. vor Ablauf der zur Einlegung
derselben bestimmten Frist nicht vollstreckt werden (L.V.G. § 133). Das Verfahren in der
Beschwerdeinstanz ist das Beschlußverfahren (s. o.), die Verhandlungen sind daher in der Regel
schriftlich. Doch kann selbstverständlicher Weise, ebenso gut wie in anderen Beschlußsachen,
auch in Beschwerdeangelegenheiten vor der entscheidenden Behörde mündliche Verhandlung
stattfinden.
Hervorzuheben ist endlich, daß von dem Grundsatze, daß endgiltige Beschlüsse nicht weiter
angefochten werden können, insofern eine Ausnahme besteht, als nach § 126 L.V.G. der
Oberpräsident endgültige Beschlüsse des Provinzialraths, der Regierungspräsident endgültige
Beschlüsse des Bezirksausschusses und der Landrath bezw. Vorsitzende des Kreis-(Stadt-) Aus-
schusses endgültige Beschlüsse dieser Behörde mit aufschiebender Wirkung anfechten kann, wenn
die Beschlüsse die Befugnisse der Behörde überschreiten oder das bestehende Recht, insbesondere
auch die von den Behörden innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen verletzen.
Die Anfechtung erfolgt mittelst Klage beim Oberverwaltungsgericht. Die Behörde, deren Be-
schluß angefochten wird, ist befugt, vor dem Oberverwaltungsgerichte einen besonderen Vertreter
zu bestellen.
§ 57. Zuständigkeitsstreite 1). I. Entsteht im einzelnen Falle Streit darüber, ob eine
Verwaltungsbehörde zur Entscheidung oder Verfügung zuständig ist, so hat die vorgesetzte Be-
hörde zu bestimmen, welcher Behörde die Zuständigkeit zukommt, soferne die in Frage kommen-
den Behörden einer gemeinsamen Oberbehörde (Ministerium) unterstellt sind. In letzter Instanz
ist also in solchen Fällen das Ministerium zur Entscheidung berufen, mit der Maßgabe jedoch,
daß wenn der Zuständigkeitsstreit zwischen einer Verwaltungsbehörde und einem Verwaltungs-
gerichte besteht, darüber das Oberverwaltungsgericht zu entschciden hat. Handelt es sich um Be-
hörden, welche nicht demselben Ministerium unterstellt sind oder besteht der Streit zwischen
verschiedenen Ministerien und gelingt eine Einigung im Staatsministerium über den Streit-
punkt nicht, so hat vorbehaltlich der erwähnten Ausnahme schließlich das Staatsoberhaupt zu
entscheiden.
Streitigkeiten über die Zuständigkeit unter Gerichten entscheidet das nächsthöhere Gericht,
eventuell das Reichsgericht. Kompetenzstreitigkeiten unter Verwaltungsgerichten entscheidet in
letzter Instanz das Oberverwaltungsgericht.
Besonders geregelt sind die sog. Kompetenzkonflikte, d. h. die Streitigkeiten zwischen
der Verwaltung und den ordentlichen Gerichten über die Zulässigkeit des Rechtswegs, da in
diesen Fällen in der Entscheidung über die Vorfrage (Kompetenzfrage) mittelbar auch eine Ent-
scheidung über die Hauptsache, d. h. darüber liegt, ob der behauptete Anspruch als ein im
Rechtswege zu verfolgender besteht.
1) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., I, S. 519 ff., III, S. 396. —
Schulze, das preuß. Staatsrecht, 2. Aufl., II, S. 155.— Bornhak, Preuß. Staatsrecht, II, S. 479.
— Stengel, Die Organisation u. s. w. S. 555 ff. — Nadbyl, Art. Kompetenzkonflikte in
Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts, 1, S. 808 ff.
Handbuch des Oeffentlichen Rechts 1I, Zweite Auflage: Preußen. 15