8 58. Die Zwangsgewalt und das Verwaltungszwangsverfahren. 231
deren Anhang v. 26/12. 1808 geordnete Zwangsbefugniß der Bezirksregierung hinsichtlich
der ihr verbleibenden Sachen nicht beseitigt ist. Die Regierung ist aber bezüglich der Arten,
0en Maßes und der Reihenfolge der Zwangsmittel an die Vorschriften des § 132 L.V.G.
gebunden.
Selbstverständlich ist ferner, daß § 132 L.V.G. die Vorschriften der V. v. 7/9. 1879
unberührt gelassen hat. Ebenso sind für die Art der Zwangsvollstreckung gegen den Fiskus
und die unter Staatsaufsicht stehenden juristischen Personen, Gemeinden u. s. w. die bestehen-
den Vorschriften in Kraft geblieben, nach welchen die Exekution durch Vermittelung der zunächst
betheiligten fiskalischen Stationen, bezw. der Staatsaufsichtsbehörde zu vollstrecken ist, aufrecht
erhalten geblieben, während im Uebrigen die Verhängung von Zwangsmaßregeln auch gegen
die genannten juristischen Personen nach Maßgabe des § 132 nicht zweifelhaft erscheinen kann.
Gegenstand der Zwangsbefugnisse. Die erwähnten Behörden haben das Recht,
die fraglichen Zwangsbefugnisse zur Durchsetzung der von ihnen in Ausübung der obrigkeit-
lichen Gewalt getroffenen Anordnungen anzuwenden. Wie bereits angedeutet, hatten die be-
treffenden Vorschriften der Kreisordnung dem Landrathe, Amtsvorsteher u. s. w. die Zwangs-
befugnisse nur zur Durchführung ihrer bei Ausübung der Polizeigewalt getroffenen An-
ordnungen eingeräumt. Bei Erlaß des Organisationsgesetzes wurde dies jedoch in der ange-
gebenen Weise geändert. Der Ausdruck „obrigkeitliche Gewalt“ umfaßt mehr, als die Polizei-
gewalt, so daß also die hier in Betracht kommenden Behörden die im Gesetze aufgeführten
Zwangsmittel auch zur Durchsetzung von Anordnungen auf dem Gebiete der Landeshoheit u. dgl.
anwenden könneu. Festzuhalten ist nur, daß unter den in § 132 L.V.G. gedachten Anord-
nungen lediglich die in Ausübung der Staatshoheit in der allgemeinen Landesverwaltung ge-
troffenen verstanden werden können, nicht aber Anordnungen, welche auf dem Gebiete der
Kommunalverwaltung ergehen, also auch nicht die von der Ortsobrigkeit in der Verwaltung
der Gemeinden, insbesondere in deren Vermögensverwaltung ergangenen ½.
Eine praktisch sehr wichtige Frage ist die, ob die Androhung und Festsetzung einer Strafe
nach Nr. 2 des § 132 zur Erzwingung einer Handlung oder Unterlassung zulässig ist, wenn
dieselbe Handlung oder Unterlassung bereits durch eine allgemeine Polizeivorschrift (Gesetz,
Polizeiverordnung u. s. w.) mit Strafe bedroht ist2).
Bei Beantwortung dieser Frage wird festzuhalten sein, daß zur Erzwingung einer durch
eine Verfügung gebotenen Handlung oder Unterlassung die Anwendung eines psychologisch
wirkenden Zwangsmittes ausgeschlossen ist, wenn dieselbe Handlung oder Unterlassung durch
Gesetz bezw. Polizeiverordnung unter Strafandrohung geboten ist, da dadurch, daß das Gesetz
eine Handlung oder Unterlassung unter Strafe gestellt hat, zugleich die Art und das Maß des
psychologischen Zwanges angegeben sind, welche zur Herbeiführung des gewollten Verhaltens
zur Anwendung gelangen sollen und dürfen. Dagegen ist die Anwendung unmittelbaren
Zwanges zur Erreichung des beabsichtigten Zweckes der Behörde nicht verwehrt. So kann
z. B. der bereits nach §§ 15, 33 Gew.O. strafbare Betrieb einer nicht konzessionirten Schank-
wirthschaft nicht neuerlich durch Androhung von Exekutivstrafen verboten werden, um die Ein-
stellung des Betriebs zu erzwingen, wohl aber ist die Polizeibehörde befugt, den gesetzwidrigen
Betrieb durch Anwendung unmittelbaren Zwangs, Schließung des Schanklokals, Wegnahme
der Utensilien u. s. w. zu hindern.
1) Vgl. darüber das Urtheil des O. V.G. vom 14/10. 1882 E. Bd. IX. S. 58 ff. Trotzdem
steht unzweifelhaft dem Gemeindevorsteher als Ortsobrigkeit die Exekutivgewalt zur zwangsweisen Ein-
ziehung der Steuern und zur Erzwingung verweigerter Dienste zu. Nur kann es sich zur Begründung
seines Rechts nicht auf den lediglich die allgemeine Landesverwaltung betreffenden § 132 L.V.G. be-
rufen, sondern auf die schon früher in dieser Beziehung geltenden Vorschriften, welche jedoch insoferne durch
die neuen Gesetze abgeändert sein dürften, als der Gemeindevorsteher in keinem Falle andere Exekutiv-
strafen als die in § 132 erwähnten anwenden darf.
2) Rosin, das Polizeiverordn.-Recht S. 65. — Brauchitsch, Bd. I, 10. Aufl., S. 140.