232 Drittes Buch: Die allgemeinen Funktionen der Staatsgewalt. II. Kapitel. l 58.
Das Verfahren. Die zulässigen Zwangsmittel sind im Gesetze selbst angegeben,
und zwar folgt aus der Anordnung des § 132, daß die Reihenfolge, in welcher die Zwangs-
mittel vom leichteren zum härteren fortschreitend aufgezählt sind, auch im konkreten Falle
beobachtet werden muß, so daß also, wenn die Ausführung der fraglichen Handlung durch
einen Dritten möglich ist, dieses Zwangsmittel anzuwenden ist und erst dann zur Androhung
einer Exekutivstrafe geschritten werden kann, wenn die Durchführung durch einen Dritten
nicht möglich ist u. s. w.
Ist die Anwendung unmittelbaren Zwanges nothwendig, wie z. B. beim Zwang zur
Leistung der Nothhülfe in Feuers-- und Wassersgefahr, bei zwangsweisen Gestellungen u. s. w., so
kann und muß die Anwendung des Zwangsmittels sofort erfolgen, ohne daß eine Androhung
des Zwangsmittels vorauszugehen hat, in den übrigen Fällen muß jedoch eine schriftliche
Androhung vorhergehen und muß zugleich, wenn eine Handlung erzwungen werden soll, die
Frist bestimmt werden, innerhalb welcher die Ausführung gestattet wird.
Von dieser Vorschrift enthält § 55 Zust. G. insoferne eine Ausnahme, als die zuständige
Wegepolizeibehörde befugt ist, das zur Erhaltung des gefährdeten oder zur Wiederher-
stellung des unterbrochenen Verkehrs Nothwendige, auch ohne vorgängige Aufforderung
des Verpflichteten, für Rechnung desselben in Ausführung bringen zu lassen, wenn der-
gestalt Gefahr im Verzuge ist, daß die Ausführung der vorzunehmenden Arbeit durch den Ver-
pflichteten nicht abgewartet werden kann.
Liegt ein solcher Ausnahmefall nicht vor, so hat die Wegepolizeibehörde den Pflichtigen zur
Erfüllung seiner Verbindlichkeiten binnen einer angemessenen Frist aufzufordern und, wenn die
Verbindlichkeit nicht bestritten wird, erforderlichen Falls mit den gesetzlichen Zwangsmitteln
anzuhalten.
Die Rechtsmittel. Anlangend die Rechtsmittel gegen die Androhung, bezw.
Festsetzung und Ausführung von Zwangsmitteln, so bestimmt § 135 L.V.G., daß gegen die
Androhung eines Zwangsmittels dieselben Rechtsmittel stattfinden, wie gegen die Anordnungen
um deren Durchsetzung es sich handelt und daß sich die Rechtsmittel zugleich auf die Anord-
nungen erstrecken, soferne dieselben nicht bereits Gegenstand eines besonderen Beschwerde= oder
Verwaltungsstreitverfahrens gewesen sind.
Da die in § 132 L.V. G. aufgeführten Zwangsbefugnisse in ihrer Anwendbarkeit nicht
auf polizeiliche Anordnungen beschränkt sind, so ist übrigens zu unterscheiden: 1. handelt es
sich um die Androhung eines Zwangsmittels im Gebiete der sog. Landeshoheitssachen, so
findet nur Beschwerde an die Aufsichtsinstanzstatt-wennnicht das Zuständigkeitsgesetz ein anderes
chtsmittel zugelassen hat — da in diesen Sachen in der Regel nur die Beschwerde zulässig
2. handelt es sich dagegen um eine polizeiliche Anordnung, so kommen die Bestimmungen
nsichtlich der Rechtsmittel gegen polizeiliche Verfügungen zur Anwendung.
Gegen die Festsetzung und Ausführung eines Zwangsmittels (vgl. E. d. O. V.G.
Bd. IX S. 385 ff.) findet in allen Fällen nur die Beschwerde im Aufsichtswege innerhalb zwei
Wochen statt. Haftstrafen, welche an Stelle einer Geldstrafe nach § 132 Nr. 2 L.V. fest-
gesetzt sind, dürfen vor ergangener endgültiger Beschlußfassung oder rechtskräftiger Entscheidung
auf das eingelegte Rechtsmittel, bezw. vor Ablauf der zur Einlegung derselben bestimmten
Frist nicht vollstreckt werden (L.V.G. 8 133)7).
1) In § 134 L.V. G. ist noch bestimmt, daß die Vorschriften der §§ 132, 133 sinngemäß An-
wendung finden auf die besonderen Beamten und Organe, die zur Beaussichtigung der Fischerei vom
Staate bestellt sind (§ 46 Fischereiges. v. 30/5. 1874), daß dagegen die Vorschriften der §§ 127, 128
L.V.G. in den Fällen des § 2 Abs. 2 des Ausf.G. v. 12/3. 1881 zum Reichsviehseuchengesetze keine
Anwendung finden; der von den Zwangsmitteln der Kommissarien f. d. bischöfl. Vermögensverwaltung
(G. v. 13/2. 1878, G. S. S. 87) handelnde § 135 L.V.G. ist jetzt gegenstandslos.