84. Der Staat Friedrichs II. und der Zusammenbruch des preußischen Staatswesens. 9
einheitlichen Centralbehörde, dem „General-Oberfinanz-Kriegs- und Domänen-Direktorium“,
gewöhnlich „Generaldirektorium“ genannt, vereinigte. Das Generaldirektorium zerfiel in
fünf Departements (theils Provinzial-, theils Real-Departements) mit je einem dirigirenden
Minister an der Spitze. In gleicher Weise wurden die Kriegskommissariate mit den Amts-
kammern zu kollegialischen Kriegs= und Domänenkammern vereinigt. Zur Revision
aller Rechnungen errichtete er die Generalrechenkammer, die er ganz unabhängig von
anderen Behörden, unmittelbar unter sich selbst stellte. Auf diese Weise wurde ein einheitliches
Behördensystem für die Finanzverwaltung und die innere Verwaltung geschaffen, das durch
einen pflichttreuen Beamtenstand, dessen Vorbildung und Prüfungswesen genau geregelt war,
getragen wurde.
Auch in die städtische Verwaltung wurde eingegriffen, in den meisten Provinzen wurden
außerordentliche Kommissionen zur Regulirung des städtischen Schuldenwesens bestellt und
die städtischen Behörden (Magistrate) von den staatlichen Aufsichtsbehörden dem Steuerrath
(commissarius loci) und den Kriegs= und Domänenkammern in einer Weise abhängig gemacht,
daß von einer Autonomie der Stadtgemeinden nicht mehr die Rede war. Auf dem platten
Lande blieb es dagegen im Wesentlichen beim Alten; wenn auch versucht wurde, die Bauern
durch staatliche Beaufsichtigung der Gutsherren und ihrer Beamten und verschiedene Maß-
regeln (Prügelmandat von 1738) zu schützen, so blieb doch die Unterthänigkeit der Bauern
bestehen und die Lokalverwaltung in der Hauptsache in den Händen der Gutsherrschaften.
Das vom Könige durch Aufhebung der Leibeigenschaft auf den pommerischen und preußischen
Domänen (Edikte v. 10/7. 1719 und 22/3. 1719) gegebene Beispiel fand beim Adel keine
Nachahmung.
Von den Maßregeln, welche im Interesse der Hebung der Bevölkerung und ihrer Pro-
duktionsfähigkeit ergriffen wurden, mag hier noch die Einführung der allgemeinen Schul-
pflicht (Edikte vom 23. Oktober 1717 und 19. Dezember 1736) erwähnt werden.
Was endlich das Heerwesen anlangt, so war man schon im J. 1693 von der Werbung
zur Rekrutirung übergegangen, indem jeder Provinz die Stellung einer bestimmten Anzahl
von Leuten zur Ergänzung des Heeres auferlegt und erst subsidiär zur Werbung gegriffen
wurde. Im Anschlusse daran führte Friedrich Wilhelm im J. 1733 das sog. Kantons-
systei ein, indem jedem Regimente ein bestimmter Bezirk, Kanton, zur Rekrutirung ange-
wiesen wurde. Da die Kantonspflicht alle tauglichen männlichen Unterthanen mit Ausnahme
der „Söhne derer Oberoffiziers und überhaupt derer Edelleute, ingleichen der Söhne der
Eltern, so 10 mille Rthlr. im Vermögen haben“ unterworfen waren, so war damit grund-
sätzlich die allgemeine Wehrpflicht aller Unterthanen ausgesprochen.
Der Offiziersstand, der sich wesentlich aus dem Landadel ergänzte, wurde zu einem
Ehrenstand erklärt, dem die einst so widerspenstigen Junker der Marken ein treffliches
Material lieferten.
Keinen Erfolg hatten dagegen die Reformversuche auf dem Gebiete der Justiz, da der
schleppende gemeinrechtliche Prozeß unberührt blieb.
§ 4. Der Staat Friedrichs II. und der Zusammenbruch des preußischen Staats-
wesens ). Friedrich der Große (1740—1786) hat vor allem mit Hilfe des von seinem
1) J. D. E. Preuß, Biographie Friedrich des Großen, 4 Bde., Berlin 1832/34. — Droysen,
Friedrich der Große, Bd. 1.— III, 1876—81 (Geschichte der preuß. Politik, IX. Theil). — Ranke,
Neun Bücher preußischer Geschichte, Bd. III, S. 350—492. — Jasmund, Friedrich der Große in
Bluntschli's Staatswörterbuch, Bd. III, S. 780—830. — L. Häusser, Deutsche Geschichte vom Tode
Friedrich des Großen bis zur Gründung des deutschen Bundes. 4 Bde. 4. Aufl. Berlin 1869. —
H. v. Sybel, Geschichte der Revolutionszeit von 1789 — 1795. 5 Bde. 4. Aufl. Düsseldorf 1878.—
H. Schulze, das preuß. Staatsrecht, 2. Aufl. I. Bd. S. 6—84. — C. Bornhak, Preuß. Staatsrecht,
I. S. 29—36 — Derselbe, Gesch. des preuß. Verwalt.-Rechts, Bd. II, S. 137 ff.— Isaacsohn,