Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 60. Allgemeines. Der Fiskus. 239 
sieben Tagen nach dem ihm bekannt gemachten, die Dringlichkeit aussprechenden Beschlusse 
verlangen, daß der Enteignung eine Feststellung des Zustandes von Gebäuden oder künstlichen 
Anlagen voraufgehe. Dieselbe ist bei dem Amtsgerichte der belegenen Sache mündlich zu 
Protokoll oder schriftlich zu beantragen (§ 35). 
  
Viertes Buch. 
Die Finanzverwaltung. 
I. Kapitel. 
Staatsvermögen und Staatsschulden. 
§ 60. Allgemeines. Der Fiskus 1). I. Im Mittelalter waren der Landesherr und 
der Staat (das Land) in wirthschaftlicher und vermögensrechtlicher Hinsicht gar nicht oder doch 
nicht scharf geschieden. Die Kosten der Landesregierung wurden ebenso wie die Kosten der 
Haushaltung des Landesherrn der Hauptsache nach aus den Erträgnissen des landesherrlichen 
Immobiliarvermögens bestritten und ebenso flossen auch alle Einkünfte aus Regalien und 
sonstigen Einnahmequellen in die landesherrliche Kasse. Dem gegenüber unterscheidet das mo- 
derne Staatsrecht scharf die vermögensrechtliche Persönlichkeit des Staates von der des Staats- 
oberhaupts. (Vgl. §§ 11 u. 14.) Der Staat als vermögensrechtliche Persönlichkeit wird ge- 
wöhnlich Fiskus genannt. Es ist dies nicht so zu verstehen, als ob der Staat mehrere Per- 
sönlichkeiten darstelle, die von einander unabhängig wären, vielmehr ist der Staat eine einheit- 
liche Persönlichkeit mit verschiedenen Seiten. Ebenso hat jeder Staat seiner einheitlichen 
Persönlichkeit entsprechend nur Einen Fiskus; wenn von Domänenfiskus, Militärfiskus, Steuer- 
fiskus u. s. w. gesprochen wird, so sind damit nur die verschiedenen aus Gründen der Finanz- 
wirthschaft und der Verwaltung getrennten Vermögensbestandtheile, Einnahmen und Ausgaben 
und die dieselben vertretenden bezw. besorgenden Behörden bezeichnet. Endlich wird der Staat 
nicht bloß insoweit als Fiskus bezeichnet als es sich um dessen privatwirthschaftliches Vermögen 
und Einkommen handelt, sondern auch dann, wenn öffentlich-rechtliche Einnahmen, wie Steuern 
in Frage stehen (Steuerfiskus, Zollfiskus). 
II. Der Staat unterliegt in vermögensrechtlicher Beziehung — als Fiskus — soweit 
es sich nicht um öffentlich-rechtliche Ansprüche oder Verbindlichkeiten des Staates handelt, grund- 
sätzlich den Vorschriften des Privatrechts (A.L. R. II, 14 §§ 76, 77). Die privilegia fisci 
des älteren Rechts sind gegenwärtig in der Hauptsache beseitigt?). 
  
1) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., IV, S. 751 ff., III, S. 101 ff. 
— Schulze, das preuß. Staatsrecht, II, S. 173 ff. — Brockhaus, Art. Fiskus in Stengels 
Wörterbuch des Verw.-Rechts, I. S. 421. 
2) Was mit dem Ausdruck privilegia fisci bezeichnet wird (ovgl. Rönne a. a. O., IV, S. 750 
N. 2) fällt unter sehr verschiedene Gesichtspunkte. Einzelne dieser „Privilegien“ sind wirklich Aus- 
nahmen theils günstiger, theils ungünstiger Art vom gemeinen Rechte, wie z. B. die Privilegien in 
Bezug auf die Verjährung (A.L.R. I, 9 88§ 629 ff. II, 14, §§ 176, 177; G. v. 18/6. 1840 G. S. S. 140); 
andere wie die Besreiung des Fiskus von Gerichtsgebühren und Stempeln erklären sich einfach aus 
dem Zusammenfallen von Gläubiger und Schuldner in derselben Person; während die sog. Konkurs- 
privilegien (§ 54 Konk.-O.) aus der öffentlich-rechtlichen Natur der privilegirten Forderungen des Staats 
entspringen.
	        
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