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sieben Tagen nach dem ihm bekannt gemachten, die Dringlichkeit aussprechenden Beschlusse
verlangen, daß der Enteignung eine Feststellung des Zustandes von Gebäuden oder künstlichen
Anlagen voraufgehe. Dieselbe ist bei dem Amtsgerichte der belegenen Sache mündlich zu
Protokoll oder schriftlich zu beantragen (§ 35).
Viertes Buch.
Die Finanzverwaltung.
I. Kapitel.
Staatsvermögen und Staatsschulden.
§ 60. Allgemeines. Der Fiskus 1). I. Im Mittelalter waren der Landesherr und
der Staat (das Land) in wirthschaftlicher und vermögensrechtlicher Hinsicht gar nicht oder doch
nicht scharf geschieden. Die Kosten der Landesregierung wurden ebenso wie die Kosten der
Haushaltung des Landesherrn der Hauptsache nach aus den Erträgnissen des landesherrlichen
Immobiliarvermögens bestritten und ebenso flossen auch alle Einkünfte aus Regalien und
sonstigen Einnahmequellen in die landesherrliche Kasse. Dem gegenüber unterscheidet das mo-
derne Staatsrecht scharf die vermögensrechtliche Persönlichkeit des Staates von der des Staats-
oberhaupts. (Vgl. §§ 11 u. 14.) Der Staat als vermögensrechtliche Persönlichkeit wird ge-
wöhnlich Fiskus genannt. Es ist dies nicht so zu verstehen, als ob der Staat mehrere Per-
sönlichkeiten darstelle, die von einander unabhängig wären, vielmehr ist der Staat eine einheit-
liche Persönlichkeit mit verschiedenen Seiten. Ebenso hat jeder Staat seiner einheitlichen
Persönlichkeit entsprechend nur Einen Fiskus; wenn von Domänenfiskus, Militärfiskus, Steuer-
fiskus u. s. w. gesprochen wird, so sind damit nur die verschiedenen aus Gründen der Finanz-
wirthschaft und der Verwaltung getrennten Vermögensbestandtheile, Einnahmen und Ausgaben
und die dieselben vertretenden bezw. besorgenden Behörden bezeichnet. Endlich wird der Staat
nicht bloß insoweit als Fiskus bezeichnet als es sich um dessen privatwirthschaftliches Vermögen
und Einkommen handelt, sondern auch dann, wenn öffentlich-rechtliche Einnahmen, wie Steuern
in Frage stehen (Steuerfiskus, Zollfiskus).
II. Der Staat unterliegt in vermögensrechtlicher Beziehung — als Fiskus — soweit
es sich nicht um öffentlich-rechtliche Ansprüche oder Verbindlichkeiten des Staates handelt, grund-
sätzlich den Vorschriften des Privatrechts (A.L. R. II, 14 §§ 76, 77). Die privilegia fisci
des älteren Rechts sind gegenwärtig in der Hauptsache beseitigt?).
1) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., IV, S. 751 ff., III, S. 101 ff.
— Schulze, das preuß. Staatsrecht, II, S. 173 ff. — Brockhaus, Art. Fiskus in Stengels
Wörterbuch des Verw.-Rechts, I. S. 421.
2) Was mit dem Ausdruck privilegia fisci bezeichnet wird (ovgl. Rönne a. a. O., IV, S. 750
N. 2) fällt unter sehr verschiedene Gesichtspunkte. Einzelne dieser „Privilegien“ sind wirklich Aus-
nahmen theils günstiger, theils ungünstiger Art vom gemeinen Rechte, wie z. B. die Privilegien in
Bezug auf die Verjährung (A.L.R. I, 9 88§ 629 ff. II, 14, §§ 176, 177; G. v. 18/6. 1840 G. S. S. 140);
andere wie die Besreiung des Fiskus von Gerichtsgebühren und Stempeln erklären sich einfach aus
dem Zusammenfallen von Gläubiger und Schuldner in derselben Person; während die sog. Konkurs-
privilegien (§ 54 Konk.-O.) aus der öffentlich-rechtlichen Natur der privilegirten Forderungen des Staats
entspringen.