240 Viertes Buch: Die Finanzverwaltung. I. Kapitel. 8 60.
Alle Streitigkeiten zwischen dem Fiskus und Privatpersonen über privatrechtliche Ver-
hältnisse sind wie andere bürgerliche Rechtsstreitigkeiten im Rechtswege zu entscheiden und kann
gemäß § 4 E.G. z. C.Pr.O. für solche Rechtsstreitigkeiten der Rechtsweg durch die Landes-
gesetzgebung gar nicht ausgeschlossen werden.
Der eximirte und privilegirte Gerichtsstand des Fiskus ist in Preußen aufgehoben worden
durch Verordnung über die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichts-
standes vom 2/1. 1849 (G. S. S. 1). Der allgemeine Gerichtsstand des Fiskus wurde durch
G. v. 26/4. 1851 (G.S. S. 181) Art. II bei demjenigen Gericht angewiesen, in dessen Bezirk
die Behörde ihren Sitz hat, welche befugt ist, den Rechtsstreit im Namen des Fiskus zu führen.
Mit diesen Vorschriften des preußischen Rechts stimmen die gegenwärtig maßgebenden Be-
stimmungen des Reichsrechts überein (§ 20 C.Pr. O.). Auch bezüglich der prozessualen Ver-
tretung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten unterliegt jetzt der Fiskus dem gemeinen Rechte
§ 74 C. Pr.O. .
III. Der Grundsatz, daß der Staat in vermögensrechtlichen Beziehungen den Vor-
schriften des Privatrechts unterliegt und die aus diesen Beziehungen sich ergebenden Rechts-
streitigkeiten im Rechtswege auszutragen sind, kommt dann nicht zur Anwendung, wenn es sich
um öffentlich-rechtliche Einnahmen des Staates (Steuern, Gebühren u. s. w.) handelt. Ebenso
unterliegt die Verwendung und Benützung der für öffentliche Zwecke dienenden Bestandtheile
des staatlichen Vermögens den besonderen Vorschriften des öffentlichen Rechts.
IV. Alle für den preußischen Landesfiskus geltenden gesetzlichen Vorschriften kommen
auch für den Reichsfiskus zur Anwendung, der insoweit an die Stelle des Landesfiskus ge-
treten ist, als das Reich Aufgaben der Einzelstaaten übernommen hat. Insbesondere hat auch
der Reichsfiskus nach 520 C. Pr.O. seinen Gerichtsstand da, wo die zu seiner Vertretung legi-
timirte Behörde ihren Sitz hat?).
V. Vertreter des Fiskus 3) sind in erster Linie der Finanzminister und die ihm unter-
gebenen Behörden der Finanzverwaltung, außerdem die Behörden der übrigen Verwaltungs-
zweige, welchen die Verwaltung von Bestandtheilen des Staatsvermögens und die Wahrung
vermögensrechtlicher Interessen des Staats übertragen ist. In vielen Fällen sind die Akte der
fiskalischen Verwaltung durch spezielle gesetzliche Bestimmungen an die besondere Genehmigung
des Finanzministers gebunden (vgl. z. B. die Kab.O. v. 4/7.111853 J.M. Bl. S. 260 bezüg-
lich der Veräußerung von Grundeigenthum, das dem Fiskus als Bestandtheil einer erblosen
Verlassenschaft oder als herrenloses Gut zugefallen ist); ebenso sind dem Finanzminister durch
verschiedene Erlasse spezielle Befugnisse beigelegt worden, wie z. B. die Befugniß der wegen
Steuervergehen erkannten Strafen ganz oder theilweise zu erlassen (vgl. Rönne a. a. O. J,
S. 546). In der Regel wird der Fiskus vertreten durch die Bezirksregierung (Instr. v. 20/10.
1817 § 19) oder durch die Provinzialbehörde des betreffenden Verwaltungsressorts (G. v. 24/5.
1861). Die königliche Eisenbahnverwaltung wird durch die Eisenbahndirektionen, bezw. die Be.
triebsämter innerhalb ihres Geschäftsbetriebs vertreten (Org.Best. v. 24/11. 1879 § 16 M. Bl.
d. i. V. 188 S. 84). Die Vertretung des Fiskus in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche An-
gelegenheiten der Justizverwaltung betreffen, ist geregelt durch die auf Grund des G. v. 14/3.
1885 (G. S. S. 65) ergangene Verfügung des Justizministeriums v. 23/3. 1885 (J.M. Bl.
S. 119).
VI. Bezüglich der Zwangsvollstreckung gegen den Fiskus bestimmt § 15 Nr. 4
E.G. z. C. Pr.O., daß die landesgesetzlichen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung wegen
Geldforderungen gegen den Fiskus unberührt bleiben, soweit nicht dingliche Rechte ver-
1) L. Seuffert, die Civilprozeßordnung f. d. deutsche Reich, 5. Aufl., S. 114.
2) Vgl. Laband, das Staatsrecht des deutschen Reiches, 2. Aufl., 1I, S. 839 ff.
5) U. Fritze, Zusammenstellung der Behörden, welche den preußischen Landesstskus und den
deutschen Reichsfiskus im Prozesse zu vertreten haben. 1891.