Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

266 Viertes Buch: Die Finanzverwaltung. II. Kapitel. § 67. 
Die Pflicht zur Zahlung der Steuer beginnt bei einem Einkommen von mehr als 900 
Mark. Die Stener wird nach Steuerklassen erhoben, innerhalb welchen der Steuersatz ein 
prozentual fortschreitender ist; er beträgt in der untersten Klasse nur 3/8⅝% des Mindestein- 
kommens der betr. Steuerstufe (6 M.) und steigt in den obersten Klassen bis zu 4% . In den 
Steuerstufen bis zu 9500 M. können bei der Veranlagung besondere persönliche Verhältnisse, 
welche die wirthschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, durch Herabsetzung der Steuer 
um höchstens drei Stufen Berücksichtigung finden. Für jedes Familienglied unter 14 Jahren 
wird bei steuerpflichtigen Personen mit einem Einkommen bis zu 3000 M. der Betrag von 
50 M. in Abzug gebracht mit der Maßgabe, daß beim Vorhandensein von drei oder mehr 
solcher Mitglieder jedenfalls eine Herabsetzung um eine Stufe stattfindet. Zur Vermeidung 
einer Doppelbesteuerung des Einkommens einerseits bei den juristischen Personen und anderer- 
seits bei ihren einzelnen Mitgliedern soll das Einkommen der juristischen Person der Besteuer- 
ung nur unterliegen nach Abzug von 3½K % des eingezahlten Aktienkapitals, bezw. eines ent- 
sprechenden Prozentsatzes bei anderen juristischen Personen (§6 15—19). 
Die Veranlagung erfolgt jährlich am Wohnsitze, ev. Aufenthaltsorte der steuerpflichtigen 
Person, bezw. am Sitze der juristischen Person und bei beschränkter Steuerpflicht an dem Orte, 
wo der Grundbesitz, die Betriebsstätte oder der Kassensitz sich befindet (8 20). 
Zur Vorbereitung der Veranlagung dient die von den Gemeinde-(Guts-Vorständen zu 
bewerkstelligende Personenstandsaufnahme und die von denselben aufzustellende Einkommens- 
nachweisung (§§ 21— 23). Im Uebrigen beruht die Veranlagung zunächst auf den von den 
Steuerpflichtigen bezw. deren gesetzlichen Vertretern oder Bevollmächtigten abzugebenden Steuer- 
erklärungen. Unbedingt deklarationspflichtig sind die bereits mit mehr als 3000 M. zur Ein- 
kommensteuer Veranlagten, welche auf ergehende öffentliche Aufforderung ihre Steuererklärung 
innerhalb einer auf mindestens 14 Tage zu bemessenden Frist (vgl. jedoch § 79 des G.) nach 
den vom Finanzminister vorgeschriebenen Formularen bei dem Vorsitzenden der Veranlagungs- 
kommission schriftlich oder zu Protokoll unter der Versicherung abzugeben haben, daß die An- 
gaben nach dem besten Wissen und Gewissen gemacht sind. Die steuerpflichtigen juristischen Per- 
sonen haben Geschäftsberichte, Jahresabschlüsse und bezügliche Generalversammlungsbeschlüsse 
einzureichen. Die übrigen Steuerpflichtigen sind nur auf besondere Aufforderung des Vor- 
sitzenden der Veranlagungskommission zur Deklaration verpflichtet, aber auch ohne solche Auf- 
forderung hierzu berechtigt. Die Nichterfüllung der Deklarationspflicht hat, wenn die Versäum- 
niß nicht entschuldbar ist, den Verlust der gesetzlichen Rechtsmittel gegen die Einschätzung und 
wenn die Deklaration trotz wiederholter Aufforderung nicht erfolgt, die Pflicht zur Zahlang 
eines Zuschlags von 25% und der durch die Unterlassung dem Staate hinterzogenen Steuer 
zur Folge (§§ 25—30). Auf Grund der Steuererklärung und des sonst vorhandenen Materials 
erfolgt die Voreinschätzung durch die Voreinschätzungskommission, deren Bezirk in der Regel 
die Gemeinde bezw. der Gutsbezirk bildet, aber auch aus Gemeinden und Gutsbezirken zu- 
sammengesetzt sein kann. Die Kommission besteht aus dem Gemeindevorstande, bezw. bei kom- 
binirten Bezirken dem von der Regierung bestimmten Gemeinde= oder Gutsvorsteher, Amtmann 
oder Amtsvorsteher und einer von der Regierung bestimmten Anzahl von Mitgliedern, die theils 
von der Regierung ernannt, theils (in der Mehrzahl) von der Gemeindeversammlung, bezw. 
Gemeindevertretung gewählt werden. Die Thätigkeit der Voreinschätzungskommission ist ledig- 
lich eine begutachtende (§§ 31 und 32). 
Die eigentliche Steuerveranlagung erfolgt durch die Veranlagungskommission; in der 
Regel bildet jeder Kreis einen Veranlagungsbezirk, doch kann die Regierung die Bildung 
mehrerer Veranlagungsbezirke innerhalb eines Kreises anordnen. An der Spitze der Kommission 
steht der Landrath oder ein von der Regierung ernannter Kommissär. Die Mitglieder, deren 
Anzahl die Regierung bestimmt, werden in ihrer Minderheit von der Regierung ernannt, in
	        
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