Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

§ 67. Die Einkommensteuer. Die Ergänzungssteuer. 267 
der Mehrzahl von der Kreisvertretung, in Stadtkreisen von der Gemeindevertretung aus den 
Einwohnern des Verwaltungsbezirks gewählt (88§ 33, 34, 37). 
Der Vorsitzende prüft die von der Voreinschätzungskommission vorgeschlagenen Sätze 
und setzt sie, falls er sie nicht beanstandet fest. 
Soweit ein Vorschlag der Voreinschätzungskommission überhaupt nicht vorliegt oder 
wenn derselbe beanstandet wird, schlägt der Vorsitzende unter Gliederung des Einkommens 
nach seinen Quellen der zur Entscheidung berufenen Einschätzungskommission einen Steuersatz 
vor (§ 36). 
Die Kommission, in deren Thätigkeit der Schwerpunkt der gesammten Veranlagung 
liegt, hat die nämlichen Befugnisse zur Ermittelung der Einkommensverhältnisse wie der Vor- 
sitzende. Die Kommission setzt nach ihrem Ermessen den Steuersatz auf Grund ihrer Er- 
mittelungen fest; an den Inhalt der Steuererklärungen ist dieselbe bei ihrer Schätzung nicht 
gebunden, doch ist bei Beanstandung einer Erklärung (seitens des Vorsitzenden oder der Kom- 
mission) dem Steuerpflichtigen Gelegenheit zur Erklärung gegeben. Unterbleibt diese, so kann 
die Kommission die zur Feststellung der Thatsachen erforderlichen Erhebungen veranlassen, ins- 
besondere Zeugen und Sachverständige vernehmen, welche nur unter den in der Civilprozeß- 
ordnung festgestellten Voraussetzungen ablehnen dürfen (8 38). 
Das Ergebniß der Veranlagung wird jedem Steuerpflichtigen schriftlich mitgetheilt (§ 39). 
Ueber die Geschäftsordnung der Kommission (mit Einschluß der noch zu er- 
wähnenden Berufungskommission sind in den §§ 50—54 des G. grundlegende gesetzliche Be- 
stimmungen getroffen. 
Gegen das Ergebniß der Veranlagung ist Berufung an die Berufungskommission 
und gegen deren Entscheidung Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zulässig. Diese 
Rechtsmittel können sowohl vom Steuerpflichtigen als vom Vorsitzenden der Veranlagungs- 
bezw. der Berufungskommission binnen einer Ausschlußfrist von 4 Wochen ergriffen werden. 
a) Berufung. Für jeden Regierungsbezirk wird eine Berufungskommission gebildet; Vor- 
sitzender ist ein vom Finanzminister ernannter Regierungskommissar, die Mitglieder werden 
theils von der Regierung ernannt (mit Einschluß des Vorsitzenden nicht über die Hälfte der Mit- 
glieder), theils von dem Provinzialausschuß für 6 Jahre gewählt. (In Berlin Ernennung der 
Mitglieder durch den Finanzminister, Wahl durch den Magistrat und Stadtverordnetenversamm- 
lung.) Alle 3 Jahre scheidet die Hälfte der Mitglieder aus (641). Der Vorsitzende hat die obere 
Leitung des gesammten Veranlagungsgeschäfts im Bezirk (§ 42). Die Berufungskommission 
entscheidet über alle gegen das Verfahren und die Entscheidungen der Veranlagungskommissionen 
angebrachten Beschwerden und Berufungen. Sie kann von allen den Veranlagungskommissionen 
zustehenden Hilfsmittel Gebrauch machen, auch kann sie, wie deren Vorsitzender, ferner die eid- 
liche Bekräftigung des Zeugnisses oder Gutachtens der vernommenen Zeugen bezw. Sachver- 
ständigen vor dem zuständigen Amtsgericht erfordern. — Uebrigens hat die Berufungskommis- 
sion nicht bloß die Funktion einer Beschwerde= und Berufungsinstanz, sondern auch jene 
einer Aufsichtsbehörde; sie hat nämlich die Personenstands= und Einkommennachweisungen 
sorgfältig zu prüfen und die von ihr gezogenen Erinnerungen sind bei der Veranlagung für 
das nächste Steuerjahr zu beachten (§ 43). b) Beschwerde. Die Beschwerde an das Ober- 
Verwaltungsgericht kann nur darauf gestützt werden: 1. daß die angefochtene Entscheidung 
auf der Nichtanwendung oder auf der unrichtigen Anwendung des bestehenden Rechts, insbesondere 
auch der von den Behörden innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen beruhe; daß 
das Verfahren an wesentlichen Mängeln leide (§ 44). Beide Parteien (Steuerpflichtiger und 
Vorsitzender der Berufungskommission) können Gegenerklärungen abgeben (§ 45). Das Ober- 
Verwaltungsgericht entscheidet in öffentlicher Sitzung in der Regel ohne mündliche Anhörung 
des Steuerpflichtigen; doch kann dem letzteren von Amts wegen oder auf Antrag Gelegenheit 
zu persönlicher Verhandlung über den Gegenstand der Beschwerde gegeben werden (8 460).
	        
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