84. Der Staat Friedrichs II. und der Zusammenbruch des preußischen Staatswesens. 13
noch Vortheile erworben hatte, starb, hinterließ er seinem Nachfolger einen finanziell erschöpf-
ten Staat, mit einem leeren Staatsschatze, einem jährlichen Defizit von mehreren Millionen
und einer Staatsschuld von etwa 36 Millionen Thaler.
An die Stelle der Selbstregierung seiner Vorgänger war unter Friedrich Wilhelm II.
eine Kabinetsregierung getreten, die den König von seinen Ministern abschloß und ihn dem
Einflusse untergeordneter Leute preisgab. Der verschwenderische Hof verschlang ungeheure
Summen und gab dem Volke schlimmes Beispiel, während andererseits das berüchtigte Reli-
gionsedikt vom 9/7. 1788 und das Censuredikt vom 19/12. 1788 dem Volke auch noch die
Freiheit auf religiösem und litterarischem Gebiet verkümmerten .
Friedrich Wilhelm III. (1797—1839) trat sonach die Regierung unter den schwie-
rigsten Verhältnissen an. Zunächst schien die Macht des Staates sich allerdings zu vergrößern,
da Preußen gegen die Aufgabe der linksrheinischen Besitzungen (halb Kleve, Geldern und
Mörs) im Lüneviller Frieden vom 9. Februar 1801 als Entschädigung in Art. III des
Reichsdeputationshauptschlusses vom 25/2. 1803 die Bisthümer Hildesheim und Paderborn,
das Gebiet von Erfurt, Untergleichen und alle Mainzischen Besitzungen und Rechte in Thü-
ringen, das Eichsfeld und den Mainzischen Antheil von Treffurt, die Abteien Herford, Qued-
linburg, Elten, Essen, Werden und Kappenberg und die Reichsstädte Mühlhausen, Nordhausen
und Goslar, endlich die Stadt Münster nebst dem östlichen Theile des Hochstiftes Münster
erhielt. Im Cessionsvertrage von Paris vom 15/5. 1806 erwarb es außerdem gegen die
Abtretung von Ansbach an Bayein und des Restes des Herzogthums Kleve und des Fürsten-
thums Neuenburg an Frankreich Hannover mit Lauenburg. Der Gebietsumfang Preußens
belief sich in Folge dessen auf 5725 Quadratmeilen. Diese Erwerbungen waren aber von
keinem Bestande. Nach den unglücklichen Schlachten von Jena und Auerstädt (14. Okt. 1806)
und der Niederlage von Friedland (14. Juni 1807) war Preußen gezwungen, im Frieden
von Tilsit (9. Juli 1807) alle Besitzungen zwischen Rhein und Elbe, alle Erwerbungen aus
der zweiten und dritten Theilung Polens und selbst noch einen Theil des schon bei der ersten
Theilung erhaltenen Gebiets, dann alle durch den Reichsdeputationshauptschluß vom 25/.
1803 gewonnenen Entschädigungslande, endlich die Fürstenthümer Bayreuth und Ostfriesland
abzutreten. Das Preußen noch verbliebene Gebiet von 2870 Quadratmeilen beschränkte sich
auf Ostpreußen, Westpreußen ohne den Netzedistrikt und ohne Danzig und Thorn, Preußisch
Pommern, Brandenburg mit Ausnahme der Altmark und des Kottbuser Kreises, den rechts-
elbischen Theil des Herzogthums Magdeburg und Schlesien, von dem übrigens noch nachher
Neuschlesien (Severien) an das Herzogthum Warschau abgetreten werden mußte.
Der äußere Zusammenbruch des preußischen Staatswesens ließ nun auch die inneren
Schäden des Staatslebens zu Tage treten. Diese Schäden hatten hauptsächlich ihren Grund
in der Uebertreibung der absolutistischen Regierungsweise und der damit zusammenhängenden
Centralisation der Verwaltung und der Festhaltung altständischer Einrichtungen, die keine
innere Berechtigung mehr hatten. So lange ein so mächtiger Monarch wie Friedrich der
Große die Regierung führte und die ganze Verwaltung durch seinen Geist und seine That-
kraft belebte, machten sich allerdings die Mängel des Absolutismus und der Centralisation
nicht geltend. Als aber Friedrich der Große todt war, zeigte es sich, daß die oberen wie un-
teren Verwaltungsbehörden der nöthigen Selbstständigkeit und Initiative entbehrten und daß
mit der Unterdrückung jeder kommunalen Autonomie auch der Gemeinsinn im Bürgerstande ge-
schwunden war. Die starre Abgeschlossenheit der drei Stände gegen einander machte sich geltend
in verschiedenartiger Besteuerung eines jeden Standes, die nicht bloß eine einheitliche Finanz-
verwaltung erschwerte, sondern auch wegen der ungleichen Vertheilung der Lasten (der bäuer-
1) Hüffer, die Kabinetsregierung in Preußen und J. W. Lombard. 1890. — Bailleu,
Preußen und Frankreich von 1796—1807. Diplom. Correspond. 2 Bde. 1881—87 (Publik. a. d. kgl.
pr. Staatsarchiven).