278 Viertes Buch: Die Finanzverwaltung. II. Kapitel. 8 70.
Eigenthume des Staats das sog. gemeine Eigenthum desselben. Darunter ist aber das Eigen—
thum des Staats an solchen körperlichen Sachen oder Rechten verstanden, die ihrer Substanz
nach nur dem Staate zustehen können, deren Nutzung jedoch auch einer Privatperson verliehen
werden kann. Das Nutzungsrecht an den im gemeinen Eigenthume des Staats befindlichen
Sachen und Rechten bilden die Regalien. Die meisten Regalien sind jetzt beseitigt. In Be—
tracht kommen gegenwärtig nur noch 1. das Recht des Staats auf herrenlose Grundstücke und
erblose Verlassenschaften (A. L. R. II, 16, 88 1ff. code civil Art. 539 u. 713); 2. das Bern—
steinregal, das partikularrechtlich in verschiedenen Theilen von Westpreußen, Ostpreußen und
Pommern besteht. — Im allgemeinen Landrecht wird zum gemeinen Eigenthum des Staats
noch gerechnet das Recht auf die jetzt beseitigten Abschoßgelder, dann auf die wegen eines
Verbrechens eingezogenen Güter und die Geldstrafen, welche gegenwärtig als ein Ausfluß der
Gerichtsbarkeit gelten.
III. Die Gebührent) sind Abgaben, welche von den Unterthanen für gewisse staatliche
Handlungen zu entrichten sind, die sie veranlaßt haben. Nach Art. 102 V. U. können Ge-
bühren von Staats= oder Kommunalbeamten nur auf Grund eines Gesetzes erhoben werden.
Nach Art. 109 V. U.h bleiben jedoch die vor Erlaß der Verfassungsurkunde eingeführten Gebühren,
auch wenn sie auf Verordnung beruhen, bis zur ihrer Abänderung durch Gesetz in Kraft.
Gebühren werden auf allen Verwaltungsgebieten erhoben, namentlich gehören zu den
Gebühren die Gerichtskosten, für welche jetzt das Reichsgerichtskostengesetz v. 18/6. 1878 maß-
gebend ist. Nicht selten liegt in dem Betrage der als Gebühr erhoben wird, auch eine steuerliche
Abgabe, wie z. B. bei den Gebühren für Eintragung des Besitzwechsels von Immobilien.
Nicht zu den Gebühren zählen die Gegenleistungen der Unterthanen für staatliche Leist-
ungen auf dem Boden des Privatrechts, wie z. B. die Personen= und Frachtgelder beim Eisenbahn-
betriebe. Eine genauere Darstellung des Gebührenwesens an diesem Orte ist nicht veranlaßt,
da die Gebühren zu innig mit den verschiedenen Verwaltungsgebieten zusammenhängen, auf
denen sie erhoben werden; die wichtigsten Arten der Gebühren werden daher bei Besprechung der
einzelnen Verwaltungszweige erwähnt werden.
§ 70. Die Behörden der Finanzverwaltung. Erhebung, Einziehung und Ver-
jährung der öffentlichen Abgaben?). I. Die Verwaltung der Domänen und direkten
Steuern. Bis in die neueste Zeit hatte das Finanzministerium die oberste Verwaltung der
Domänen und Forsten sowohl, wie der direkten Steuern. Durch A.E. v. 7/8. 1878 ist jedoch
die oberste Leitung der Verwaltung der Domänen und Forsten auf das landwirthschaftliche
Ministerium übergegangen. Dagegen ist das Finanzministerium für die Verwaltung der direkten
Steuern die zuständige Centralbehörde geblieben und wird diese Verwaltung von der zweiten
Abtheilung des Finanzministeriums besorgt.
In der Bezirksinstanz wird die Verwaltung der Domänen, Forsten und direkten Steuern
durch die Regierungen und zwar durch die sog. dritte Abtheilung für Domänen, Forsten und
direkten Steuern bethätigt, der namentlich für das Forstwesen besondere technische Räthe
(Oberforstmeister, Forstmeister) beigegeben sind. In Berlin tritt an Stelle der Regierung auf
dem Gebiete der direkten Steuerverwaltung die Direktion der Verwaltung der direkten Steuern
(vgl. § 78 d. Einkommensteuergesetzes v. 24/6. 1891).
1) Rönne a. a. O., IV, S. 775f. — Bornhak a. a. O., III, S. 552 f. — Hue de Grais--
Handbuch der Verfassung und Verwaltung u. s. w., 8. Aufl., S. 173. — v. Mayr, Art. Gebühren
a. a. O., I. S. 406 ff. u. I, Erg. Bd. S. 37 ff.
2) Bornhak, Preuß. Staatsrecht, III, S. 561 ff. — Rönne, das Staatsrecht der preußischen
Monarchie, 4. Aufl., III, S. 98 f., 124 ff., S. 174 ff., IV, S. 859 ff. — Brockhaus, Art. Finanz-
ministerium und Finanzbehörden in Stengel's Wörterbuch des Verw.-Rechts, I, S. 401 ff. —
p. Mayr, Art. Steuerverwaltung (direkte), ebendaselbst, 1I, S. 550 ff.