8 72. Das Budgetrecht des Landtags. 289
III. Kapitel.
Der Staatshaushalt.
§ 72. Das Budgetrecht des Landtags 1). I. Auch im absoluten Staate wurde, um in
die Finanzverwaltung Ordnung zu bringen, für bestimmte Perioden ein Staatshaushaltetat
aufgestellt. Schon unter Friedrich Wilhelm I. geschah dies. Deshalb ist auch in der In-
struktion für die i. J. 1714 errichtete „General-Rechen-Kammer“ auf die General= und Pro-
vinzialetats Bezug genommen; ebenso ist in der Instruktion vom 30/5. 1768 und in der vom
13/2. 1770 (§8 12) darauf hingewiesen, daß für die auf Rechnung des Staates zu machenden
Einnahmen und Ausgaben entweder ein Etat vorhanden ist oder nicht. Ist ein Etat vorhanden,
so hat sich der betreffende Beamte an den Etat zu halten und ist dann durch Beobachtung des
Etats von weiterer Verantwortung frei, im entgegengesetzten Falle muß alles durch Ordres
und Quittungen belegt werden. Die Etats waren also Anweisungen an die Behörden, die von
diesen bei Meidung persönlicher Haftung zu beobachten waren, die aber für das Rechtsver-
hältniß zwischen dem Staate und seinen Gläubigern bezw. seinen Schuldnern keine Bedeutung
hatten; deshalb waren sie auch bis zum Jahre 1821 geheim gehalten worden. Erst durch die
Kab.O. v. 17/1.1820 betr. den Staatshaushalt und das Staatsschuldenwesen (G. S. S. 21)
wurde die Veröffentlichung der Etats für alle drei Jahre angeordnet, damit sich Jedermann
im Allgemeinen davon überzeugen könne, daß ihm nicht ohne gerechtfertigten Grund Steuern
abverlangt werden, und daß er preußische Staatspapiere vertrauensvoll kaufen könne. Im
Uebrigen behielt der Etat seinen Charakter als eine an die Behörden gerichtete Dienstan-
weisung. Es ergiebt sich dies insbesondere aus dem § 26 der Instruktion für die Oberrechnungs-
Kammer v. 18/12. 1824. „Die Etatstitel der Ausgabe sind als gesetzliche Normen zu be-
trachten, die nicht überschritten werden dürfen. Nur in dem Falle soll es den obersten Ver-
waltungsbehörden freistehen, im Laufe der Administration Erhöhungen der etatsmäßigen Aus-
gaben bis zur Höhe von 5 Prozent des speziellen betreffenden Etatstitels zu bewilligen, wenn
die Mehrausgaben durch Mehreinnahmen unvermeidlich herbeigeführt und die Ersteren aus den
Letzteren gedeckt werden können. Es dürfen jedoch die bestehenden Normal-Gehaltssätze und
die Zahl der Beamten nicht vermehrt werden. Jede andere Mehrausgabe eines Etatstitels,
sie mag durch Ersparungen bei anderen Etatstiteln gedeckt sein oder nicht, soll, wenn sie ohne
Unsere Genehmigung erfolgt, zum Defekt gestellt und deren Betrag als Strafe von dem Ren-
danten oder der Verwaltungsbehörde, welche sic angeordnet hat, eingezogen werden.“
II. Im absoluten Staate stellte der König den Staatshaushaltsetat allein fest. Die Ver-
fassungsurkunde hat jedoch die Mitwirkung der Volksvertretung vorgeschrieben; Art. 99 be-
stimmt nämlich: „Alle Einnahmen und Ausgaben müssen für jedes Jahr im Voraus veran-
schlagt und auf den Staatshaushalt gebracht werden. Letzterer wird jährlich durch ein Gesetz
festgestellt."“ Durch Art. 99 V. U. ist also für die Feststellung des Staatshaushalts die Form
des Gesetzes vorgeschrieben. Daraus folgt jedoch keineswegs, daß diese Feststellung niemals
in der Form der Verordnung auf Grund des Art.63V.U. vorgenommen werden kann; esist dies um
so weniger anzunehmen, als es sich beim Staatshaushaltsetat um eine Verwaltungsmaßregel
handelt, für welche nur die Form des Gesetzes als Regel vorgeschrieben ist. Allerdings werden
in Bezug auf den Staatshaushaltsetat die Voraussetzungen kaum gegeben sein, von deren Vor-
handensein in Art. 63 der Erlaß eine sog. Nothverordnung abhängig gemacht ist. Für das
Zustandekommen des Staatshaushaltsgesetzes gelten zunächst die Vorschriften über das Zu-
1) Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie, 4. Aufl., III, S. 591 ff. — Schulze,
das preuß. Staatsrecht, 2. Aufl., I, S. 203 ff., 277 ff. — Bornhak, Preuß. Staatsrecht, III, S. 581 ff.
— Hertel, die preuß. Oberrechnungskammer, Berlin 1884, S. 9 ff. — Arndt, das preußische und
das Reichsbudget im Archiv f. öffentl. Recht, III, S. 533 ff. — Laband, das Staatsrecht des deut-
schen Reiches, 2. Aufl., II, S. 1037 ff.
Handbuch des Oeffentlichen Rechts II, Zweite Auflage: Preußen. 19