8 5. Die Wiederaufrichtung des preußischen Staates. 15
thums und Herstellung eines gleichberechtigten Staatsbürgerthums, während freilich die
dinglichen Belastungen des bäuerlichen Besitzes zu Gunsten des gutsherrlichen zunächst un-
verändert blieben. Das Edikt vom 14. Septbr. 1811, betreffend die Regulirung der guts-
herrlich-bäuerlichen Verhältnisse, ging jedoch weiter, indem es das volle und reine Eigenthum
der erblichen, wie der nicht erblichen Höfe deren Besitzern unter Wegfall der bäuerlichen Leist-
ungen und der gutsherrlichen Gegenleistungen gegen Entschädigung des Gutsherrn in Rente
oder Land verlieh. Die volle Durchführung der Grundentlastung ist freilich erst viel später
erfolgt ½).
2. Die Städteordnung vom 19. November 1808 gab den Stadtgemeinden die
Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten wieder zurück und beschränkte die Aufsicht des
Staates auf die Verwaltung der städtischen Angelegenheiten so erheblich, daß die Organe der
städtischen Verwaltung fast ganz selbstständig waren. Als solche Organe schuf die Städteord-
nung den Magistrat als Verwaltungs= und Vollzugsbehörde und das Kollegium der Stadt-
verordneten als kontrollirende und in den wichtigsten Angelegenheiten beschließende Vertretung
der Stadt. Der Magistrat wird von den Stadtverordneten, das Kollegium der Stadtverord-
neten von den sämmtlichen aktiven Gemeindebürgern gewählt, während früher die Bestellung
der städtischen Organe durch die verschiedenen Zünfte, Korporationen u. s. w. erfolgte. Es
war also die ganze Bürgerschaft als eine Einheit betrachtet und der politische Einfluß der
Zünfte und ähnlicher ständischer Korporationen beseitigt?:). Der Zunftzwang selbst sammt
allen Zwangs= und Bannrechten wurde erst durch das Edikt vom 28. Oktober 1810 aufge-
hoben, worauf dann das Gewerbewesen auf Grundlage der Gewerbefreiheit geregelt wurde.
Während die St. O. von 1808 den Stadtgemeinden ihre Selbstständigkeit wieder zu-
rückgab, wurde andererseits der Wirkungskreis der Stadtgemeinden auf die eigentlichen Ge-
meindeangelegenheiten beschränkt, indem den Städten die früher besessene Gerichtsbarkeit erster
Instanz genommen und ihnen auch der größte Theil der Polizei, insbesondere die Sicherheits-
polizei entzogen wurde.
3.Ein wichtiger Bestandtheil der Reform war selbstverständlich die Finanzreforms).
da die Kriege mit Frankreich dem Lande fast unerschwingliche Lasten auferlegt hatten. Zu-
nächst half man sich durch Domänenverkäufe, welche ein die Gesetze von 1710 und 1713 ab-
änderndes Hausgesetz vom 17/12. 1808 gestattet hatte und durch die Saäkularisation der geist-
lichen Güter. Nach dem Eintritte Hardenbergs ins Ministerium wurde aber eine umfassende
Steuerreform in Angriff genommen. Im Jahre 1810 ergingen drei Steuergesetze, welche
eine Konsumtions= und Luxussteuer, eine Gewerbesteuer unter grundsätzlicher Anerkennung der
Gewerbefreiheit und eine Stempelsteuer einführten und auf dem Grundsatze beruhten, daß
dieselben Steuern in Stadt und Land von Adeligen, Bürgern und Bauern zu erheben seien,
während nach der altständischen Gliederung jeder Stand seine besondere Steuerverfassung
hatte. Die Reform der Grundsteuern blieb wegen der Schwierigkeit ihrer Durchführung
einstweilen verschoben.
1) Vgl. G. F. Knapp, die Bauernbefreiung und der Ursprung der Landarbeiter in den älteren
Theilen Preußens. 2 Bde. 1887.
2) Vor allem hat die Städteordnung vom 19/11. 1808 den Ruf Stein's als Staatsmann be-
gründet. Von Stein sagt E. Meier, die Reform der Verwalt.-Org. S. 146: „Stein war die große
moralische und intellektuelle Kraft, welche die Gemüther zu durchdringen und fortzureißen, fremde
Talente zu beseelen und zu leiten wußte. Stein hat geradezu alles geschaffen, was während seines
Ministeriums zu Stande kam, er ist der Urheber dieser Gesetzgebung gewesen, sofern man nur nicht die
Urheberschaft in dem ganz äußerlichen Sinne auffaßt, wonach derjenige als der Urheber eines Gesetzes
erscheint, der die Feder dabei geführt hat.“
3) Bornhak, Gesch. der preuß. Finanzpolitik im J. 1810 (Forschungen zur preuß. Geschichte).