86. Die Behördenorganisation unter Stein und Hardenberg. 17
Der Flächeninhalt des preußischen Staatsgebiets betrug nach dieser Regelung der Terri—
torialverhältnisse 5086 Quadratmeilen, also 561 Quadratmeilen weniger, als Preußen Ende
1804, noch vor der Okkupation Hannovers, besessen hatte. Bedenklicher war die Zerrissenheit des
preußischen Staatsgebiets, die Trennung in eine westliche und östliche Hälfte, die für die innere
Staatsentwickelung wie für die äußere Machtstellung des Staates ihre Nachtheile hatte. Frei-
lich hinderte auch diese Erstreckung des preußischen Gebiets über ganz Norddeutschland, daß
sich Preußen auf sich selbst zurückzog und sich in sich abschloß, wie auch die Besitzungen am
Rhein, die es zum Nachbar von Frankreich machten, Preußen zwangen, diesem Staate gegen-
über die Wacht am Rhein zu halten. Dem deutschen Bunde trat Preußen am 10. Juni 1815
mit seinem ganzen Gebiete mit Ausnahme der Provinzen Preußen und Posen bei.
8 6. Die Behördenorganisation unter Stein und Hardenberg!). A. Die Cen-
tralbehörden. Der im Jahre 1604 errichtete Geheimerath war trotz mancher mit ihm vor-
genommener Veränderungen in seinen Grundzügen bis zum Anfange dieses Jahrhunderts be-
stehen geblieben. Mit Zunahme der Staatsgeschäfte und Ausdehnung des Staatsgebiets war
es aber immer schwieriger geworden, die obere Leitung aller Verwaltungszweige in Einer Be-
hörde zusammen zu halten; es war daher nach und nach der Schwerpunkt der Verwaltung aus
dem Plenum des Staatsraths in die Abtheilungen (Departements) verlegt worden, die sich all-
mählich aus demselben abgezweigt hatten. Die wichtigsten dieser Departements waren: 1. das
Kabinetsministerium oder Ministerium des Auswärtigen; 2. das Justizdepartement; 3. das
Generaldirektorium.
Am frühesten hatte sich das Kabinets-Ministerium abgezweigt, da begreiflicher
Weise die auswärtigen Angelegenheiten eine kollegiale Behandlung in einer großen Centralstelle
am wenigsten vertrugen.
Ebenso hatte sich die Nothwendigkeit herausgestellt, die Justizangelegenheiten in einem
besondern Justizdepartement zu behandeln, das jedoch auch die Besorgung der geistlichen
Angelegenheiten, der Unterrichtssachen, der Angelegenheiten der französischen und pfälzischen
Kolonien, der Landeshoheit und Lehenssachen hatte und mit vier Ministern besetzt war, unter
welche die betreffenden Angelegenheiten theils nach dem Real= theils nach dem Provinzialsystem
vertheilt waren.
Das sog. Generaldirektorium endlich hatte die gesammte übrige Landesverwaltung
insbesondere die Verwaltung des Finanzwesens und der Polizei in letzter Instanz. Es bestand
im Anfange dieses Jahrhunderts aus vier Provinzialdepartements: a) für die Kurmark, Neu-
mark, Pommern und Südpreußen, b) für Ansbach und Bayreuth, c) für Ostpreußen, Neuost-
preußen und Westpreußen, d) für die niedersächsischen und westfälischen Provinzen und vier
Realdepartements: 1. für Militärsachen, 2. für Bergwerks= und Hüttenwesen, 3. für Accise,
Zoll-, Fabriken-Manufaktur= und Kommerzwesen, 4. für das Kassen-, Stempel-, Münz-, Bank:,
Medizinal= und Lotteriewesen und die Postsachen. — Zum Generaldirektorium gehörte auch
das Revisionskollegium, bestehend aus einem Präsidenten und mehreren Mitgliedern, das die
zur Verwaltung gehörigen Justizsachen — Kameral= und Fiskalprozesse — für die Entscheid-
ung durch das Plenum des Generaldirektoriums vorzubereiten hatte. Die Zuständigkeit des
Generaldirektoriums erstreckte sich auf das ganze Staatsgebiet mit Ausnahme von Schlesien,
welches unter einem vom Generaldirektorium unabhängigen in Breslau residirenden Provinzial-
Minister stand. Die Geschäftsbehandlung war die von Anfang an eingeführte kollegiale ge-
blieben; die daraus sich ergebende Schwerfälligkeit war um so fühlbarer, als das Generaldirek-
torium mit einer Menge höchst geringfügiger Sachen belastet war.
1) E. Meier, die Reform der Verwaltungsorganisation unter Stein und Hardenberg. —
Rönne, das Staatsrecht der preuß. Monarchie. 4. Aufl. Bd. III. S. 49 ff. — C. Bornhak, Gesch.
des preuß. Verwalt.-Rechts. 3. Bd. S. 3—223.
Handbuch des Oeffentlichen Rechts, II Zweite Auflage: Preußen. 2