Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 82. Die Landgemeindeverfassung in Westfalen, der Rheinprovinz und Hannover. 337 
§ 82. Die Landgemeindeverfassung, A. in Westfalen, B. in der Rheinprovinz, 
C. in Hannover ). I. Die Landgemein deverfassung in Westfalen beruht auf der 
L.G.O. v. 19/3. 1856 in Verbindung mit der westf. Kr. O. v. 31/7. 1886 und gilt nicht nur 
in den Landgemeinden, sondern mit einigen Modifikationen auch in den Städten, in denen die 
westfälische Städteordnung nicht eingeführt ist. Die Städteordnung kann Landgemeinden und 
bisher nach der Landgemeindeordnung verwalteten Städten durch königliche Verordnung auf 
Antrag der Gemeindevertretung und nach Anhörung der Amtsvertretung und des Kreistages 
verliehen werden (L.G.O. 8§ 1). 
Jede Gemeinde bildet eine Korporation unter einem Gemeindevorsteher und hat ihre 
eigene Verwaltung und Vertretung. Zum Gemeindebezirke gehören alle innerhalb dessen 
Grenzen belegene Grundstücke mit Ausnahme derjenigen landtagsfähigen Rittergüter, welche 
vor dem Erlaß der L.G.O. v. 31/10. 1841 bereits in die Rittergutsmatrikel eingetragen waren 
und selbstständige, den Gemeinden gleich zu achtende Gutsbezirke bilden (§8 2, 3 L.G.O., vgl. 
§ 23 westf. Kr.O.)5. 
Mehrere Gemeinden, nebst den den Gemeinden gleichgestellten selbstständigen Gutsbe- 
zirken bilden einen Verwaltungsbezirk (Amt), welchem ein Amtmann vorsteht, doch kann das 
Amt auch aus Einer Gemeinde bestehen. Das Amt kann zugleich in Ansehung solcher Ange- 
legenheiten, welche für alle zu demselben gehörigen Gemeinden ein gemeinschaftliches Interesse 
haben, einen Kommunalverband bilden. Auch für einzelne bestimmte Angelegenheiten, bei 
welchem mehr als eine, aber nicht alle Einzelgemeinden eines Amtes ein gemeinschaftliches 
Interesse haben, kann ein besonderer Verband gebildet werden (§§ 4, 5 L.G.O.). 
In Ergänzung der Gemeindeordnung können wegen solcher auf das Gemeindewesen be- 
züglichen Angelegenheiten, in Hinsicht deren die Gemeindeordnung keine Bestimmungen enthält, 
nähere Festsetzungen aber für die ganze Provinz oder einzelne Landestheile sich als nöthig er- 
geben, durch Beschluß des Provinzial-Landtags mit Genehmigung des Königs statutarische 
Anordnungen getroffen werden, welche der Gemeindeordnung nicht widersprechen dürfen. Auch 
kann jede Gemeinde und jedes Amt mit Genehmigung des Kreisausschusses statutarische An- 
ordnungen treffen, die den Bestimmungen der Gemeindeordnung und des Provinzialstatuts nicht 
widersprechen (§§ 12, 13 a. a. O., § 31 Z.G.). 
Mitglieder der Gemeinde sind: a) alle selbstständigen Einwohner des Gemeindebezirks 
mit Ausnahme der nicht angesessenen servisberechtigten Militärpersonen des aktiven Dienst- 
standes; b) alle im Gemeindebezirke mit einem Wohnhaus ansässigen, auswärts wohnhaften 
Personen, diese jedoch nur in den Landgemeinden, während sie in den der Landgemeindeordnung 
unterliegenden Städten lediglich als Forensen behandelt werden (§§ 14, 66). 
Das Gemeinderecht, d. h. das Recht der Theilnahme an der Vertretung und Ver- 
waltung der Gemeinde besitzen nur diejenigen Gemeindemitglieder (nicht Gemeindeeinwohner) 
die 1. preußische Unterthanen und selbstständig sind und 2. seit einem Jahre a) keine Armen- 
unterstützung aus öffentlichen Mitteln empfangen, bh die sie betreffenden Gemeindeabgaben ge- 
zahlt haben und c) entweder im Gemeindebezirk mit einem Wohnhaus angesessen sind und von 
ihren daselbst belegenen Grundbesitzungen einen gewissen Mindestbetrag an Grund= und Ge- 
bäudesteuer entrichten oder ihren Wohnsitz im Gemeindebezirk haben und zur Einkommen= oder 
zu jährlich mindestens 6 M. Klassensteuer veranlagt sind (§8§ 15—22 und 8 66 L.G.O.) “ 
II. Zur Vertretung und Verwaltung der Gemeinde besteht eine Gemeindeversamm- 
lung und ein Gemeindevorsteher- letzterer ist die ausführende Behörde. Die Gemeinde— 
1) Vgl. die Citate zu §§ 77 und 78. 
2) Bezüglich der Veränderung der Gemeindegrenzen, Bildung neuer Gemeinden, Veränderung 
und Auflösung von Amtsbezirken u. s. w. vgl. die § 6—10 L.G.O. 
3) Ueber die Vertretung im Stimmrecht vgl. 88 20, 21, 66 L.G.O. und westf. Kr. D. “ 23. 
Handbuch des Oeffentlichen Rechts II, Zweite Auflage: Preußen.
	        
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