Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band II.3. Das Staatsrecht des Königreichs Preußen. (23)

8 82. Die Landgemeindeverfassung in Westfalen, der Rheinprovinz und Hannover. 339 
lung geprüft, festgestellt und entlastet. Der Gemeindevorsteher unter Mitwirkung des Amts- 
manns verwaltet die Einkünfte der Gemeinde, hat die Einnahmen und Ausgaben anzuweisen 
und das Kassen= und Rechnungswesen zu überwachen. Bei Verweigerung oder Unterlassung 
der Aufbringung der erforderlichen Mittel hat der Landrath solche festzusetzen und die Ge- 
meinde zur Zahlung im Wege administrativer Exekution anzuhalten. Ueber die Benutzung des 
Gemeindevermögens beschließt die Gemeindeversammlung. Zu gewissen Beschlüssen ist die Ge- 
nehmigung der Aufsichtsbehörde erforderlich, nämlich zur Veräußerung sowie zu der auf lästigem 
Titel beruhenden Erwerbung von Grundstücken und Immobiliar-Gerechtsamen, zur Ver- 
äußerung oder wesentlichen Veränderung von Sachen, die einen besonderen wissenschaftlichen 
historischen oder Kunstwerth haben, zu Anleihen und zu Veränderungen im Genusse von Ge- 
meindenutzungen. Soweit die Einnahmen aus dem Gemeindevermögen nicht hinreichen, um 
die erforderlichen Geldmittel zu beschaffen, kann die Gemeindeversammlung die Aufbringung 
von Gemeindesteuern beschließen. Auch kann die Gemeinde durch Beschlüsse der Gemeindever- 
sammlung zur Leistung von Diensten behufs Ausführung von Gemeindearbeiten verpflichtet 
werden (§§&§ 45—58). Alle zur Gemeinde gehörigen Einwohner sind zu den Gemeindebedürf- 
nissen beizutragen verpflichtet, betrifft aber das Bedürfniß nur das Interesse einzelner Klassen 
von Gemeindegliedern oder einzelner für sich bestehender Abtheilungen des Gemeindebezirkes, 
so leisten auch nur diese die dazu nöthigen Geldbeiträge und Dienste (88 59 ff.). 
Ein jedes stimmfähige Gemeindemitglied ist nach § 78 verpflichtet, eine unbesoldete 
Stelle in der Gemeinde= und Amtsverwaltung oder Vertretung anzunehmen, sowie eine ange- 
nommene Stelle mindestens drei Jahre lang zu versehen, soferne ihm nicht gewisse im Gesetze 
vorgesehene Entschuldigungsgründe zur Seite stehen. 
III. Für jeden Amtsbezirk wird ein Amtmann und mindestens ein Stellvertreter 
(Beigeordneter) desselben bestellt. Die Stellung eines Amtmanns soll in erster Linie ein Ehren- 
amt sein, zu dem angesehene Personen des Bezirkes, insbesondere größere Grundbesitzer zu be- 
rufen sind. Ein besoldeter Amtmann soll nur angestellt werden, wenn ein geeigneter Ehren- 
amtmann nicht zu gewinnen ist. Die Ernennung erfolgt auf Lebenszeit vom Oberpräsidenten 
auf Grund von Vorschlägen des Kreisausschusses, welche dieser nach Anhörung der Amtsver- 
sammlung zu machen hat. Will der Oberpräsident den sämmtlichen Vorschlägen des Kreisaus- 
schusses keine Folge geben, so bedarf er dazu der Zustimmung des Provinzialraths, lehnt dieser 
die Zustimmung ab, so kann dieselbe auf Antrag des Oberpräsidenten durch den Minister des 
Innern ergänzt werden. Die Ablehnung der Uebernahme des (unbesoldeten) Amtes eines Amt- 
manns oder Beigeordneten kann nach § 8 westf. Kr.O., abgesehen von den in § 78 L.G.O. auf- 
geführten Gründen auch nach dem Ermessen des Kreisausschusses wegen des zu großen Geschäfts- 
umfanges des Amtes erfolgen. Die kommissarische Verwaltung des Amts ordnet der Ober- 
präsident an (§§ 70—72 L.G.O. und § 27 westf. Kr.O.)!). 
Die früher in den standesherrlichen Gebieten bestandene Mitwirkung der Standes- 
herren bei Ernennung der Amtmänner (§ 85 L.G.O.) ist weggefallen, jedoch soll nach § 99 
Nr. 2 westfäl. Kr.O. auch fernerhin in denjenigen Amtsbezirken des Kreises Wittgenstein, zu 
welchen standesherrliche Besitzungen der Fürsten von Sayn-Wittgenstein-Hohenstein und Sayn- 
Wittgenstein-Berleberg gehören, die Ernennung der Amtmänner — nicht der Beigeordneten 
— erst nach Anhörung der betreffenden Fürsten erfolgen. 
In Aemtern, die aus mehreren Gemeinden bestehen, kann der Amtmann zugleich Vor- 
steher der Gemeinde sein, in der er wohnt (§ 69 Abs. 3). 
1) Bezüglich der Dienstvergehen der Amtmänner, Gemeindevorsteher und Stellvertreter, sowie der 
sonstigen Amts= und Gemeindebeamten und Diener vgl. § 83 L. G.O. bezw. § 27 Abs. 3 westf. Kr.O. 
und hinsichtlich der Pensionsverhältnisse der besoldeten Beamten der Amtsverbände und Landgemeinden 
§8 72, 73 L.G.O. und § 28 Kr.O. 
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